Freitag, 6. Januar 2017

Heiraten in Korea

Zwischen den Jahren habe ich noch einige Dinge erledigt, wie neue Matratzen kaufen, einen Föhn umtauschen und meine idiotischerweise abgeschlossene Akku-Versicherung beim Kauf meines IPads vor zwei Jahren einzulösen und kurz vor der Angst einen neuen Akku zu fordern. Ich dachte ja, die schrauben gleich einen neuen rein und alles ist gut. Natürlich musste es eingeschickt werden und nach 2-3 Wochen bekomme ich es zurück. 

Das ist dumm, denn ich lese Zeitungen auf dem Ding und morgens zu frühstücken ohne Zeitung ist mir schlicht unmöglich. Nun komme ich von Berufswegen an alles, was ich brauche. Seit einer Woche lese ich an der Wochenendausgabe der Süddeutschen und ich kann mit Fug und Recht sagen, dass ich jede Zeile gelesen und viel gelernt habe. 

Für mein Liebesleben gibt es beispielsweise eine sehr charmante Lösung, auf die ich von allein nicht gekommen wäre. Ich werde der Moon Sekte beitreten und mich mit 4.000 anderen Paaren gleichzeitig verheiraten lassen, mit einem Mann, den ich noch nie vorher gesehen habe. Gegen eine Vor-Ort-Trauung in Korea spricht meine Flugangst, aber ich kann mich auch vor den Fernseher stellen mit dem mir unbekannten Mann und dort eine fünfzehnminütige Rede des bereits verstorbenen Sekten-Gründers anhören, an deren Ende er uns zwei auffordern wird, einander in die Augen zu schauen und dann die erlösenden Worte hören "Ihr seit jetzt verheiratet" - ist das nicht fantastisch?

Zudem werde ich mir endlich was von dem wunderlichen Essayisten Montaigne kaufen; ein früherer Kollege hat mir schon vor 15 Jahren mit ihm in den Ohren gelegen. Der Mann scheint nur Kluges gesagt und geschrieben zu haben. Damit könnte ich dann den fremden Ehemann entzücken.

Und dann wird's hohe Zeit, nach Marzahn zu ziehen oder in die Gropiusstadt, weil das wohnen in Hochhäusern doch gar nicht so schlimm sein soll. Ich kann das sogar aus eigener Erfahrung bestätigen, denn als ich drei Jahre alt war, zogen meine Eltern mit mir und meiner Schwester in ein nagelneues Hochhaus, drei baugleiche standen in gebührendem Abstand near by. 

Es gab dort unfassbar viele Kinder, eigentlich verbrachten wir fast alle Nachmittage auf Kindergeburtstagen oder luden dazu ein. Ich konnte kaum erwarten, Geburtstag zu haben, weil ich dann ausnahmsweise meine Lieblingsfrisur tragen durfte. Die Eltern befreundeten sich ebenfalls und diese Freundschaften halten teils bis heute, trotz temporären Frauentauschs (Gott, es waren die Siebziger, die Mütter trugen betörende "Zweitfrisuren", welchem Mann ist vorzuwerfen, dass er sein Glück zwei Stockwerke tiefer versuchte?). 

Außerdem werde ich in Kürze in die Rosenthaler Straße 11 fahren, zu einem Optiker, bei dem jede Brille 99 € kostet und man die fertig geschliffenen Gläser nach 20 Minuten eingebaut bekommt. Der hat eine Schleifmaschine vor Ort, der man bei der Arbeit zusehen kann. Das ist Fortschritt, wie ich ihn haben will. Brille to go.

Wenn mein IPad nicht weg wäre, hätte ich das alles nicht erfahren. 

Dass ich nun unbedingt die neue Matratze kaufen wollte, hat mir allerdings das Genick gebrochen, denn die Verkäuferin war schwer erkältet, bzw. wirkte sie völlig gesund, sagte aber, dass es ihr sehr schlecht geht. Mich ereilte es an Neujahr. Ich stand auf und legte mich gleich wieder hin, für den Rest des Tages konnte ich nicht mal einen Arm heben. Ich blieb aber nur zwei Tage zuhause und seitdem bin ich in Büro-Quarantäne, niemand will was mit mir zu tun haben und jeder sagt, ich sehe beschissen aus. 

Aber einem Mann aus der Moon Sekte würde das nichts ausmachen.

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