Dienstag, 28. November 2017

Büro, Büro

Noch im August schrieb ich besoffen vor Glück, dass mir ein wunderbar anmutender Ausweg aus der Misere angeboten wurde.

Man kann meine Lage so beschreiben: der Job verhackstückt und auf zig Leute verteilt, mich selbst im Keller begraben und kaltgestellt, der (in der Regel eingebildete) Glanz der früheren Tage nur noch ferne Erinnerung. Immerhin begrüßte mich der frühere Regiermeister freundlich, als er mir im Flur begegnete, aber das ist nur ein Reflex, der jedem und jeder zuteil wird.

Oder so: ich kann kommen und gehen wann ich will und was ich mache und ob überhaupt, obliegt ganz allein mir. Kein Gehaltsverlust (wenn auch keine Aussicht mehr auf Zuwachs). Die totale Freiheit. Eine Exitstrategie aus den Wirren der hirnverbrannten Prozess- und Projektstrategien, um die ich mich an guten Tagen selbst beneide.

Neulich hatte ich einen Protest-Tag. Eine besonders unangenehme Mail an mich Subalterne verärgerte mich derart, dass ich beschloss, den restlichen Tag nur noch Löcher in die Luft zu kucken. Kann ich ja jetzt machen. Mich sieht ja keiner. Es ist wirklich völlig egal. Hört sich gut an, oder? Nach einer Stunde brannten mir die Augen und eine Monsterwelle Selbstmitleid riss mich mit. 

Das soll's gewesen sein? Die Zeit, die noch vor mir liegt, ist viel zu lang, um so meine Tage zu fristen. Die Zeit, die ich schon hinter mir habe, ist zu lang, um Personalern Freudentränen zu bescheren. Ich fühle mich wie frühzeitig berentet; allerdings mit Anwesenheitspflicht in einem abgeschiedenem Büro.

Alles, was ich kann, ist nicht mehr gewünscht. Davon bekomme ich bestimmt bald eine narzisstische Störung. Mein früherer Job, wie erwähnt, völlig zerlegt, das ist angeblich besser so, das MUSS besser sein, man hat sich das ja so ausgedacht, um einen innovativen Eindruck von sich zu vermitteln. Okay, es geht viel schief seitdem, was mir kleinlichen Seele wie Öl runtergeht, aber das liegt auch nur daran, dass die, die die Resteverwertung übergeholfen bekommen haben, ebenso frustriert sind wie ich.

Kollektiv deprimierte Subalterne werden zur Verantwortung gezogen für das Unvermögen, die hanebüchenen Entscheidungen von oben umzusetzen. Was gewollt ist, denn wie könnte man sich dort, wo die Luft ganz dünn wird, noch besser gegenseitig die Augen auskratzen, als sich aberwitzige Dinge auszudenken, die zum Scheitern verurteilt sind und dafür dann wieder einen Konkurrenten aus der eigenen Reihe über die Wupper gehen zu lassen?

"Mensch, Oberboss, ich hab da eine super Idee, das könnte doch der Dings machen, da ist der wie gemacht für, was meinste?" 
"Spitze, das macht der." 
~~ 
"Dings, das machst du jetzt. Wie, da brauchste n'halbes Jahr für? Und mehr Personal? Träum weiter, am 15. muss das laufen."

Nichts läuft am 15. Und nach einem halben Jahr auch nicht. Hektisch werden die Schuldigen gesucht und gefunden: Menschen wie du und ich.

Vor Jahren wurde mal eine Freundin ähnlich abserviert, dennoch versüßt mit der Aussicht auf Verbeamtung, was mir in der freien Wirtschaft vorkam, wie Ferien auf Saltrokan. Begeistert schwallerte ich auf sie ein: "Mensch, denk doch mal dran, nie wieder dieser Stress, die totale Sicherheit, du kannst all deine Energien auf dein Privatleben verwenden, das ist doch S U P E R!" 

Verächtlich schaute sie mich an und kündigte ihren Job. Kluge Frau.


5 Kommentare:

  1. Acht Stunden am Tag bezahltes Bloggen! \o/

    Aufs Lesen freut sich: Dieter, grüßend

    (Nee, schon klar, auf Dauer ist das nix. Aber ein Weilchen würd ich das an Deiner Stelle erstmal genießen.)

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  2. Kann es genau nachvollziehen, wie sehr sich das nach Abstellgleis und Absurdistan anfühlt. Als ersteres war es sicher gemeint, und letzteres ist es ohnehin. Andererseits hast du aber ja nicht nur den Job, Löcher in die Luft zu starren, sondern da gab es ja noch eine echte und konkrete Aufgabe, wenn auch von Amts wegen nur müde belächelt. Die gründlichste Rache am kranken System nimmst du also, wenn du dich dieser Aufgabe jetzt voll und ganz widmest. Eine Art Ein-Frau-Untergrundguerilla, das klingt doch schon viel sinnerfüllter!

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    1. I'll try my very best (und am allerliebsten werde ich sowieso unterschätzt)

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  3. HALLO ? Woher kennst Du mein Arbeitsleben so 100%ig genau ? Scherz beiseite: Wenn mir irgendeine Lösung einfällt, sag ich Dir Bescheid. Und umgekehrt. Ok?

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