Montag, 17. September 2018

Straßenkampf

Ich halte mich für eine gelassene Frau. Also für so gelassen, wie man als Hysterikerin eben sein kann. 

Aber nun. Neue Nachbarn. Russische Braut, greiser Herr, offenbar mit viel Kohle. Haben als erstes die riesige Rotbuche gefällt, wegen der vielen Blätter. Das schmerzte schon sehr, weil es ein unvergleichlich schöner Baum war. 

Naja, dann das Haus entkernt und allet vom Feinsten drin-und drangedübelt. Jeder wie er kann. Nun sind sie nach monatelangen Umbauten eingezogen. Mitgezogen sind auch ihre Autos. Zwei arschteure Mercedes-irgendwas, ich kenn mich mit Marken nicht aus. Is ja auch egal. 

So, und nun machen die folgendes: sie parken am liebsten hintereinander. Und direkt vorm Haus (allerdings nicht deren Haus, denn sie bewohnen das hinterste Grundstück), also direkt vor meinem Haus praktisch, da passen beide Autos hin und sonst weiter nichts. 

Und damit das auch so bleibt, dass beide Autos immer schön hintereinander stehen, bleiben sie nicht etwa für immer dort stehen und gehen zu Fuß. Nein. Das ginge ja noch. Würde man sich abfinden mit der Zeit. Sondern: er fährt einen Wagen auf die Straße und sie fährt den anderen dann in die Mitte - so, dass weder hinter noch vor ihr jemand anderes parken kann. Die haben also ihre eigene kleine Occupy-Bewegung gegründet. 

Was soll ich sagen? Mir kommt die kalte Wut hoch. So einen Aufwand zu betreiben, um sich öffentlichen Raum einzuverleiben, der allen zur Verfügung steht in unserer hübschen kleinen Straße mit all den liebenswürdigen Nachbarn, von denen noch keiner je auf so eine absurde Idee gekommen ist - wenn sie natürlich durchaus auf andere abenteuerliche Ideen kommen. 

(Man denke an Olli und seine Drohne und seinem ewig brummenden Rasenroboter. Oder an den Rentner, der jeden Samstag Punkt 11 Uhr seinen Laubsauger anschmeißt, anstatt am Mittwoch, wenn alle arbeiten und dieses Getöse nicht hören müssten. Oder an den völlig merkwürdigen Gynäkologen, der sein Haus zu Fort Knox umgebaut hat - den ganzen Tag die Außenjalousien unten; sehr verdächtig. Oder an den übergeschnappten Hubschrauberpilot, der sich vor das Auto seiner Frau geschmissen hatte, um dann loszubrüllen "Sie hat mich überfahren!" - nur leider hatte er nicht bemerkt, dass meine Freundin und ihr Kamerad gerade auf die Straße kamen und der herbeigeeilten Polizei als Kronzeugen für die arme Ehefrau zur Verfügung standen. Aber sonst so ist hier alles friedlich, dörflich und bezaubernd.)

Zurück zu mir: wann immer es mir möglich ist (und leider ist es mir erst einmal gelungen, weil ich selten zum parken daheim bin), wann immer es mir möglich ist, fahre ich mein Winzauto in die Lücke, die sie frei lassen, weil sie leider kein drittes Auto haben, um aufzuschließen. Und dann lasse ich es da stehen, bis mir nichts anderes übrig bleibt, als ins Büro zu fahren; wegen Armut muss ich da ja jeden Tag hin. Und ich bin sehr froh, dass die Niedlichkeit meines Autos es möglich macht, die ausgeklügelten Parkmanöver der neuen Nachbarn zu unterwandern. Ein Akt des Widerstands.

Und jetzt frage ich mich: bin ich hier die Irre oder die?

23 Kommentare:

  1. Irre sind immer die anderen. In diesem Fall zu Recht. Da möchte man doch glatt wieder die Selbstjustiz... ja, aus bestimmten Gründen, die im Zusammenhang mit einem Fahrradfahrer stehen, bin ich da gerade wieder ein großer Anhänger von geworden - aber man darf ja nicht.

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    1. Ja, und ich habe noch gar nicht erzählt, dass eines Tages der Nachbar zur Rechten nach Hause kam und ein neuer Zaun an seiner linken Grundstücksseite stand (Jeder Hausbesitzer ist immer für den Zaun zur linken Grundstücksseite verantwortlich. D.h., er muss ihn setzen und bezahlen.)
      Der Baumfäller und Kampfparker fand den Zaun aber Scheiße und ersetzte ihn ohne Rücksprache durch einen, der ihm besser gefiel.

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  3. Also wenn du irre bist, dann bin ich es auch. Ich würde es genauso machen, "Grade nicht!" denken und hoffen, dass sich ein Mitdenker mit kleinem Auto findet, einer vorne dran, einer dahinter.

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  4. Vogelfutter auf Autodach lockt die Tauben an, na ja und picken auf Autodach ist nicht schön ... . Abgekuckt bei einer Rentnerin, die sich sehr langweilte, oder so.

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  5. Ich lese das und frage mich zum wiederholten Male, wie man es in Berlin aushalten kann. Die Bewohner sind zum Teil doch sehr.... speziell.

    Die Tage kam doch eine Umfrage (unter international Beschäftigten) raus, welches Land denn wohl besonders lebenswert sei. Deutschland landete im hinteren Mittelfeld und bei Fragen wie "Freundlichkeit der Bewohner" und "einheimische Freunde finden" auf den letzten Plätzen (zusammen mit Kuwait und Saudi Arabien). Vermutlich hat man hauptsächlich Leute befragt, die das Pech haben, in Berlin leben zu müssen.

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    1. Glaube mir, in Berlin kann man es sehr gut aushalten. Die Schnodderigkeit der Berliner ist vorhanden, aber die mag ich. Außerdem gibt es auch jede Menge ganz entzückende Einwohner.

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  6. Willst/Musst du da nicht sowieso ausziehen? Oder hat sich wenigstens der Häuserkampf erledigt?

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    1. Bei dem Wohnungsmarkt hier, werde ich wohl für immer hierbleiben müssen. Und nein, in den Garten nach wie vor nicht. Dafür bin ich jetzt viel woanders.

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  7. Russen mit Kohle glauben gern, ihnen gehöre die Welt. Ich plädiere für die von anonym in die Diskussion eingebrachte Idee mit dem aufs Auto gestreute Vogelfutter, das scheissende Tauben anlockt. Vielleicht kann man auch frische Früchte auslegen, die scheissende Kampfelefanten anlocken. Irgendwie so.

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    1. Er ist gar kein Russe, er hat nur eine russische Angetraute. Ich würde sagen, er ist ein typischer Deutscher mit viel Geld, der denkt, ihm gehöre die Welt.

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  8. Oah, da bin ich ja schon vom Lesen genervt.
    Bunte Kindersticker ans Auto kleben?

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  9. Solidarische Grüße aus Friedrichshain.

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  10. Vermutlich verschönerst Du mit Deinem Parkverhalten derzeit vielen Nachbarn den Tag.
    Ich hätte jedenfalls immer ein Grinsen im Gesicht.

    Mach Dir nichts draus, bei mir gegenüber parkt bei Schneefall auch ein Experte. Weil da geschippt ist. Logisch, ich komm sonst nicht aus meiner Einfahrt. Am Anfang hat mich das aufgeregt. Inzwischen nicht mehr. Soll der ruhig da stehen. Ich weck ihn dann halt, wenn ich los muss.
    (Und ja, ich fang auch mal früh um vier an zu arbeiten, und das durchaus auch am WE.)

    So nach zwei/dreimal hat der das für den Rest des Winters begriffen. Die Halbwertzeit dieses Wissens ist leider begrenzt. Wir spielen das Spiel jedes Jahr wieder.

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    1. Mir ist es erst ein zweites Mal geglückt, aber dann blieb der Wagen tagelang stehen. Ich war nur noch mit dem Rad unterwegs. War mir eine Freude.

      Deiner steht in der Einfahrt?

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  11. Meiner steht in der Einfahrt. Insgesamt ist die Straße schmal, Zwei Fahrzeuge kommen grad so aneinander vorbei. Der Herr Nachbar hat Platz für zwei, verfügt aber über drei Autos, von denen eins auf der Straße steht.....im Sommer kein Problem, da steht er weit genug weg.
    Wenn aber im Winter noch der Schnee an den Straßenrand geschippt wird, trage ich den gegenüberliegenden Haufen ab, weil, wegen schmaler Straße und steiler Einfahrt ich dann einfach Platz brauch, um raus zu kommen.
    Deshalb stellt er sich dann an die Stelle, wo geschippt ist. Also genau gegenüber meiner Einfahrt. So kommt auf der Straße alles noch vorbei. Mit der Folge, das ich weder raus noch rein komme.
    Könnt ja vor seiner Tür auch mal ne Stelle schippen, oder?
    Na, Idiotitis ist eben nicht heilbar....

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    1. Oh Mann! Der hat die perfekte Strategie.
      Obwohl, wenn er dann nachts raus muss, um den Wagen wegzufahren, so richtig schlau ist das auch nicht.

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