Montag, 17. Juni 2019

Wie ich mich neulich auf den ersten Blick verliebte

Umstände spülten mich auf das Hoffest des Regierenden Bürgermeisters. Ich war mit einer Kollegin dort, die mich irgendwann an den Stand von Eisern Union zerrte. "Mein Mann ist so ein Fan, dem bringe ich ein paar give aways mit." 

Während sie sich Schlüsselanhänger geben ließ, sah ich drei Meter von mir entfernt einen schwitzenden, erschöpften Mann. 

"Du, kucke mal, das ist der Präsident von Eisern Union, ich frag den mal, ob ich dich mit ihm fotografieren kann, dann freut sich dein Mann noch mehr." raunte ich meiner Kollegin zu. "Das traust du dich?"

Ich trau mich fast alles, wenn es nicht um mich geht und wenn's mir völlig gleich ist, ob ich es bekomme oder nicht. Das ist ja das Blöde mit mir. Wenn der Mann mir also gefallen hätte oder ich schon langjähriger Fan gewesen wäre, wäre mir nur die eine Reaktion möglich gewesen, an der - in meinem Fall - jeder Mann erkennen kann, dass ich in Flammen stehe: vollkommene Ignoranz gepaart mit null Blickkontakt.

So aber hatte ich zwar ein paar Tage zuvor gelesen, dass der Verein gerade in die 1.Bundesliga aufgestiegen ist, die Fans ganz aus dem Häuschensind und dass das alles überhaupt eine ganz dolle Sache sei, weil die alle so erdverbunden und sturmerprobt (ach nee, das sind ja die Niedersachsen), anyway, der ganze Verein, samt Stadion und Präsident und der Weihnachtssingerei der ultimative heiße Scheiß ist. Der übliche Medienhype halt. 

Ich war nicht infiziert vom Eisern-Bazillus, also ging ich entspannt auf den Mann zu und sprach ihn an. Erklärte ihm, der Mann meiner Freundin, ein großer Fan, ob man ein Foto... und dann war's um mich geschehen, binnen einer Sekunde. 

Er neigte sich mir zu und in seinem Gesicht war Milde, Erschöpfung, Güte und ein bisschen Traurigkeit. Da war ich gleich hinüber. Außerdem sieht er ein klein bisschen aus wie Guy Ritchie, was auch nicht schadet.

Freundlich stellte er sich neben meine Freundin, ich fotografierte, ein anderer Vereinsmeier sagte zu mir, dass ich doch bestimmt auch ein Foto mit ihm haben möchte, nahm mir mein Handy aus der Hand und nun habe ich ein Foto mit der Liebe meines Lebens, auf dem ich total bescheuert aussehe, ja leider, ich sehe so dümmlich-Honikuchenpferdartig aus der Wäsche, dass mir gleich wieder einfiel, weshalb meine private Appeasement-Politik ("to ignore") die bessere Alternative für alle Beteiligten ist. 

Natürlich war dieses Foto auch schon gleich der Höhe- und Endpunkt dieser doch reichlich kurzen Affaire, von der sogar nur ich etwas wusste und der andere Beteiligte nie erfahren wird, dass er mal für einen Moment beinah in etwas verwickelt war. Hach.

 ***

Meiner Kollegin gab ich den Tipp, sich ihr Foto mit ihm groß auf Leinwand auszudrucken und es ihrem Mann zu Weihnachten zu schenken, da würde die Freude doch groß sein. Auf keinen Fall, meinte sie, der hängt das auf und dann muss ich für immer auf dieses Foto glotzen.



8 Kommentare:

  1. Am meisten freut mich, dass es doch noch Honigkuchenpferde zu geben scheint. Ich dachte echt, die wären ausgestorben.

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  2. In meiner Version der Geschichte hätte der gütig und erschöpft blickende Fußball-Präsident dir zum Abschied noch eine Farbkopie seiner Mannschaft überreicht.

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    1. Muahahaha! (...und sich im Gehen die Ballonseidenjacke unter den Arm geklemmt.)

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    2. Große Liebe für diesen Eintrag und besonders für den vorletzten Absatz. Ich muss meine Historie in Liebesdingen noch einmal ganz neu überdenken.

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    3. @ ob: hoffentlich hätte ich dann aber auch ein Laminiergerät dabei gehabt. ;))

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    4. @ amor: Mönsch, so liebe Worte. Danke :)

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