Dienstag, 27. März 2018

Murphys Gesetz

Heute wollte ich die Mittagspause nutzen, um rasch ein Ostergeschenk für meine Nichte zu besorgen.

Ich lief zu meinem Auto, aber das war nicht mehr da. Stattdessen flatterte ein Flatterband dort, wo ich am Morgen erfreut eine Parklücke ausgemacht machte, in die ich mich so kunstfertig wie stets reinquetschte. 

 

Die hatten alle abgeschleppt, bis auf den schwarzen Wagen, der am Horizont zu sehen ist. An dem führte das Flatterband vorbei und war dann ganz vorn, am Ende der Straße, befestigt. Die Halteverbotsschilder standen so, dass man sie als Fußgänger gar nicht wahrnahm, denn sie waren komplett zur Straße gedreht. Aus meiner Sicht hatte ich gar keine Chance, wahrzunehmen, dass da überhaupt etwas stand - ungefähr in der Mitte vons Janze hatte ich geparkt und bin dann schnell ins Büro gestöckelt. Jetzt machte ich erstmal erbost Beweisfotos, vor allem davon, dass außer dem Flattern das Bandes keine weiteren Aktivitäten festzustellen waren, bei denen mein Auto im Weg gestanden hätte.

Ich rief die Polizei an, wo denn mein Wagen stünde. Taxi rangewunken, hingefahren. Ich steige in mein Auto, wende und will nun endlich zur Beschaffung des Ostergeschenks schreiten. Kommt mir die Polizei entgegen, drängt mich zur Seite, zwingt mich zum halten. "Gute Frau, das ist eine Einbahnstraße. Bitte mal die Fahrzeugpapiere."

Verdammt teues Vergnügen, dieser Tag. Ich habe zwar nicht vor, das abschleppen zu bezahlen, denn Gottseidank las ich erst kürzlich in der Zeitung, dass die Berliner Verwaltung nicht mehr hinterher komme mit dem Einziehen von Bußgeldern, weshalb die Verfahren entnervt eingestellt werden. Mal sehen, wie ich der blöden Abschleppfirma klar mache, dass die ihre Schilder äußerst sparsam und zudem so gut wie unsichtbar aufgestellt hat. Ich habe jetzt an fünf Wochenenden alle 86 Folgen von den Sopranos geguckt, ich bin mit allen Wassern gewaschen. Zur Not rufe ich Scheiß Pauly an, der war vor seiner Karriere als Scheiß Pauly Berufsverbrecher und kann mir bestimmt weiterhelfen.

Ich also weiter zu dem Laden, finde einen Parkplatz direkt vor der Tür. Fahnde sicherheitshalber nach Verbotsschildern. Kaufe das Geschenk in nullkommanix, gehe zurück zum Auto, aber ich sehe es nicht mehr. 

Es steht ein riesiger LKW in zweiter Reihe. Keine Werbung drauf, ich kann niemanden anrufen. "Nur die Ruhe" mantrasiere ich vor mich hin. Weit und breit niemand zu sehen. Ich warte. Dann kommt der LKW-Fahrer. "Ich bin gleich weg, ich muss nur noch diese Palette reinbringen." Ob er nicht fünf Meter vorfahren könne, ich habe es eilig. "Nee, das bringt mir nichts." Wo ist nur dieser Scheiß Pauly?

Zurück zum Büro, entscheide ich mich, die firmeneigene Tiefgarage zu nutzen, für die habe ich immer eine Zehnerkarte, benutze sie aber nur, wenn in der Nähe wirklich nix zu machen ist oder es in Strömen schüttet. Kurz vor der Einfahrt mache ich das kleine Handschuhfach auf, in dem die Parkkarte liegt. 

Seit 10 Jahren liegt sie da. Jetzt ist sie weg. Where the fuck is Scheiß Pauly?

Ich schütte den ganzen Inhalt auf den Beifahrersitz. Dazu den Inhalt meiner Handtasche, sinnlos, nichts zu machen, die Karte bleibt verschwunden. Ich fahre wieder los, umkreise das Büro und fahre zurück in die Straße, in der ich zuvor abgeschleppt wurde. 

Nur auf eins ist Verlass an diesem Tag: mein Parplatz-Karma. 

Gegen 20 Uhr verlasse ich das Büro und kann mich wenigstens darüber freuen, dass ich den ganzen Scheiß schon am hellichten Tag durchgestanden habe. 

Mittwoch, 21. März 2018

Die drei Kackbratzen

Im letzten Sommer bekam ich einen Anruf, gerade als ich im Garten saß und die Sonne genoss.

"Du, ich wollte dir nur mal sagen, lösch mal lieber die DoKo-Whatsapp Gruppe. Weißt du, da stehen einige nicht so drauf. Und dass da immer Bilder verschickt werden, das mögen die Leute auch nicht so."

Hä?

"Naja, nicht jeder kann einen gut finden, weißt du?"

Was zur Hölle willst du mir eigentlich sagen, fragte ich, jetzt mal Butter bei die Fische. 

"Nichts weiter, nur lösch mal die Gruppe. Und sprich nicht mit den anderen drüber. Wir wollen da kein Drama draus machen."

Verwirrt fuhr ich abends zum DoKo. Bis eben dachte ich, Spitzensache, wir haben uns alle gerne. Aber die scheinen mich gar nicht zu mögen. Und wieso habe ich davon nichts bemerkt? Sowas rieche ich normalerweise 10 Kilometer gegen den Wind, also, wenn mich jemand nicht mag. 

Zeitgleich bekamen die Auftragsmörderin und die Dezemberaffaire einen ähnlichen Anruf. Natürlich erzählten wir uns davon und waren nun alle drei verwirrt. Wir konnten uns das nicht erklären. Als wir vor zwei Jahren zu dieser Gruppe stießen, die seit 20 Jahren zusammen spielten, wurden wir so herzlich aufgenommen und zu unseren Geburtstagen wurden uns die kunstvollsten Torten gebacken. 

Wir beschlossen, erst mal abzuwarten. Keine drei Wochen vergingen und die Stimmung schlug hinter unserem Rücken um in Richtung "immer geht es um diese drei Kackbratzen" - wovon wir aber nichts ahnten, denn vordergründig war alles so herzlich wie zuvor. 

Dann wurden wir zu einer Aussprache zitiert. Wir würden "gegen die Regeln" verstoßen. Neulich hätte ich mich bei der Hitze gleich an den Tisch am Fenster gesetzt, dabei werden die Plätze doch ausgelost, wenn wir zu acht sind. Und dass die Auftragsmörderin ihren Geburtstag am DoKo-Abend feiern wolle, sei eine Schweinerei, man wolle schließlich "selbst entscheiden" mit wem man Geburtstag feiere und für wen man Geld ausgebe. Und die Dezemberaffaire habe ja immer sehr flotte Sprüche drauf. Und neulich habe der M. sogar einen Ventilator mitgebracht, "Aber ich bin seit 20 Jahren hier, mir hat noch keiner einen Ventilator mitgebracht." 

Jetzt verstand ich zumindest, weshalb der Ventilator nicht angemacht werden durfte. 

Wir hörten uns das geduldig an, fragten, ob jetzt alles gesagt sei und ob womöglich gewünscht sei, dass wir nicht mehr kommen. Das sei nicht so, aber wir drei hätten für eine Grüppchenbildung gesorgt, das sei kein Wunder, wir seien langjährige Freundinnen.

Ich fragte, wie wir denn das bewerkstelligt haben, denn wir kommen, setzen uns an den Tisch und spielen. Weiter passiert nix. Es wird gespielt und wenig gequatscht und wenn, sind es nur Fachgespräche. "Mit Pik zum Sieg" oder "Vorbehalt, wir spielen die Könige."

Das sei einfach so, es gäbe eine Grüppchenbildung. Komisch, wir sahen die anderen außerhalb der DoKo-Abende überhaupt nicht. Nun ja, die Auftragsmörderin sagte ihre Geburtstagsause ab, feierte im Klunkerkranich, lud neben ihren anderen Freunden auch die gesamte Dokogruppe ein, bis auf die zwei Frauen, die sich so bitter beschwert hatten über diesen Geburtstagszwang.

Zwei Wochen später wurde die Auftragsmörderin von eben jenen zwei Frauen hart angegangen, das sie ihren Geburtstag gefeiert habe, ohne die beiden eingeladen zu haben. Leider war ich nicht zugegen, ich hätte für eine 1 a Grüppchenbildung gesorgt unter Zuhilfenahme von Rechts-Links-Kombinationen. 

Dann passierte das nächste Drama. In Abwesenheit von uns drei Kackbratzen beschwerte sich einer der Mitspieler über die Auftragsmörderin, die daraufhin wieder einen warnenden Anruf bekam. 

Mit ihrer Geduld am Ende rief sie den Mitspieler an und sprach ihm auf die Mailbox, dass wenn er Probleme mit ihr habe, solle er es doch mit ihr persönlich besprechen. Daraufhin bekam sie eine Mail von ihm, die er an ausgesuchte Leute in Kopie schickte, mit unflätigen Beschimpfungen und dass er "die Staatsanwaltschaft einschalten" würde, wegen übler Nachrede. 

Hä? Anzeige? Wo um alles in der Welt waren wir da hineingeraten? Ich schrieb eine Mail an alle, dass ich nicht mehr kommen würde, das Schiedsgericht hätte ich ja noch mit viel Humor und Menschenliebe ertragen, aber das führe jetzt doch über alle rote Linien. 

Daraufhin meldete sich der Rest der Gruppe bei uns, sie fänden das auch alle ziemlich doof, hätten den Mailschreiber eingenordet, der daraufhin mitteilte, er würde zukünftig lieber Billard spielen; sie würden aber gerne mit uns weiterspielen, treffen wir uns halt an einem anderen Tag. 

In der alten Formation, nur eben ohne uns drei Kackbratzen wurde auch weitergespielt, allerdings blieben wir weiterhin Talk of town, wie wir erst vor drei Wochen erfuhren. Jedes Mal, wenn der Abend vorangeschritten war, brachten die zwei Geburtstagshassenden Frauen das Thema auf die nunmehr "drei feinen Damen", die die "Gruppe gesprengt" hatten. Monatelang erwiderten die anderen, dass das Thema doch nun echt vom Tisch sei, sie seien doch schon seit September gar nicht mehr dabei, wo denn das Problem sei? "Ihr spielt ja weiterhin mit denen."

Jedenfalls kam es nun zum Eklat, wie uns berichtet wurde. Förmlich verabschiedete sich der gesamte Rest aus der Gruppe, selbst der große Schweiger, der zu dem ganzen Trara keinen einzigen Piep gesagt hatte. Sie hätten die Nase voll von dem Gekeife. Nun sitzen die beiden Frauen mutterseelenallein am Tisch.

Ist das zu fassen? Seit 20 Jahren hatten die miteinander gespielt. Ich begreife nicht, was da passiert ist. Und wir drei haben gar nichts gemacht. Wir sind auch keine Kackbratzen, ganz im Gegenteil. Und ich hab mir auch immer alle Mühe gegeben, im letzten Spiel nicht den Kreuz Buben zu verlieren. 

Problem an der Sache: die beiden Kackbratzen-Hasserinnen haben sich ausbedungen, dass wir und die anderen nicht mehr in dieser Kneipe spielen. Die sei deren Wohnzimmer. Unsere Anwesenheit sei zu belastend. 

Und wisst ihr was? Andere Kneipen wollen keine Doko-Runden haben. Nicht am Freitag, Umsatzstärkster Abend, da wolle man keinen Tisch frei halten, dabei saufen die alle wie die Löcher. Jetzt irren wir durch Berlin auf der Suche nach einer neuen Heimstatt.

Und alles weil... ja weshalb eigentlich?


Samstag, 17. März 2018

Traumhafte Mexikaner und gigantische Welpen

Um 14 Uhr war ich bei Frau Behrens Torten verabredet, ein Lokal, dass ich unbedingt empfehle, weil es dort die besten Torten der Welt, die bequemsten Stühle und Sofas, vor allem aber den allerbesten Kellner der Welt gibt. 

Ich war schon eine Stunde vorher da, versank zufrieden in den Polstern und aß das beste Bauernfrühstück aller Zeiten. Eine sms kam von meiner Verabredung, sie bringe noch eine Kollegin mit, ob das okay sei. Natürlich, warum nicht, außerdem wusste sie nicht, dass ich wusste, dass sie heute Geburtstag hat und einzig zu diesem Zwecke diesen Termin vereinbart hatte, auch wenn sie ihn als Arbeitstermin postulierte - obwohl wir uns erst zwei Tage zuvor an anderer Stelle trafen  (wo etwas passiert ist, von dem ich nicht ahnte, dass ich bei so etwas im 21. Jahrhundert live dabei sein würde - da sagte nämlich ein Mann, der eine Power Point Präsentation durchklickte "Das ist ein Problem, von dem gleichermaßen Frauen und Menschen betroffen sind." Milde gestimmt lachten wir Tränen, aber sagen wir mal so, das hätte auch leicht in einem Blutbad enden können). 

Als sie kam mit ihrer Kollegin, musste ich meine Empörung verbergen, denn die Kollegin war ein Grippemonster und ich war doch bis jetzt den ganzen Winter verschont geblieben, verdammt. Weshalb bleiben solche Leute nicht im Bett? Was müssen die in Cafés rumkrauchen und die Influenca verbreiten? 

Ich sah sie kritisch an, eigentlich die ganze Zeit und dachte immer nur: Schweig still oder atme woanders hin. Unsereiner hat Verpflichtungen am Wochenende, die keine Schwäche dulden. Dann redete sie dauernd von "Mein Mann" - und sowas geht mir dermaßen an die Nerven, das kann sich kein Mensch vorstellen. Sie erwähnte ihn bestimmt zwanzigmal, einen Vornamen hat er wohl nicht. 

Anyway, als sie ihn mal nicht erwähnte, fing sie an zu rekapitulieren, dass sie von Fischen umgeben ist: "Meine Schwiegermutter hat am 13.3. Geburtstag, Freundin 1 am 4.3., Freundin 2 am 6.3., mein Chef am 17.3. und meine Nichte am 19.3. - ich bin total gestresst." 

Mein Stresslevel stieg auch, denn ich habe Null Toleranz gegenüber Schwachsinnsgesprächen. Da ich sie nur durchdringend und stumm anschaute, um sie zum Schweigen zu bringen, gab sie dem Gespräch Tiefe und berichtete nun von ihren Versuchen, schwanger zu werden. Nun habe ich auch Null Toleranz gegenüber Intimitäten, wenn ich die Person erst eine Stunde kenne. 

Aber ich will nicht meckern, denn der Tag entwickelte noch sehr kommod.

Das lag an dem Kellner, dem ich bei der nächsten Bestellung mitteilte, dass meine Begleitung heute Geburtstag hat, woraufhin er das ganz laut in das Lokal rief und alle anfingen zu klatschen und Happy Birthday zu singen, was meine Begleitung so huldvoll wie bescheiden über sich ergehen ließ. 10 Minuten später kam er wieder an unseren Tisch, mit einem Tortenstück und einer brennenden Wunderkerze drauf, woraufhin noch mal alle applaudierten.

15 Minuten später kam er erneut an unseren Tisch: "Wie wär's denn mit einem Mexikaner, der die ganze Zeit liest?" Immer her damit, sagten wir, denn an unserem Tisch war noch Platz. Er brachte den Mann zu uns. 
„Du siehst aus wie Furio aus den Sopranos
"Ahso, dann bin ich eine schlechte Gängsta?" 
Der Kellner sagte, nein, er ist Schriftsteller. Oh, Schrifsteller finde ich gut. Er winkte bescheiden ab "Ich chabe nur eine ganz kleine Buch geschrieben, iist ganz unwichtig." Bescheidene Schriftsteller sind ja noch besser als normale Schriftsteller. 

Wir quetschten ihn aus, was ihn nach Berlin verschlagen hat. Ein zurückhaltender Mann, sanft und freundlich, hübsch und auf seinem Schoß lag de Sade in französischer Ausgabe, was ihm ein wenig peinlich war. Ein Mexikaner, der französisch, englisch und deutsch spricht und dabei aussieht wie der Mann, der sich in Carmela Soprano verliebt hat.  

Am Nachbartisch setzte sich eine Familie hin, genauer gesagt ein Paar mit einem riesigen Welpen, der mit 11 Wochen schon fast so groß ist wie der Hund der Auftragsmörderin. Allgemeines Ah und Oh, wie süß, kann ich den streicheln? "Sie lieben Hunde?" Und wie, sagte das Geburtstagskind, aber ich kann mir keinen holen, der wäre ja nur allein, es müsste Bürohunde geben. Was stellt sich raus? Er ist der Erfinder der Bürohunde. Er hat extra dafür einen Bundesverband gegründet. Hundetrainer ist er auch und findet Cesar Millan aber nicht gut, weil er dessen propagierte Hierarchie ablehnt. Thomas Rütter verwendet auch unsinninge Methoden, die dem Tier nur Angst einjagen, meint er. Ich kann da letztendlich nicht mitreden, aber es war interessant, ihm zuzuhören. 

Nebenbei hatte ich immer ein Auge auf dem Handy, denn abends war ich zum Doko verabredet, allein, die Location stand noch nicht fest. Es wurde sich dann leider für ein grässliches Lokal in Marienfelde entschieden, ich plädierte für "in der Nähe" meines derzeitigen Aufenthaltsortes, konnte mich aber nicht durchsetzen. Dafür kam aber unsere jüngste Mitspielerin in den Tortenladen, damit ich sie mitnehme. 

Als sie sich zu mir setzte, strahlte der Mexikaner, was kein Wunder ist, denn unser Küken ist ein flirrendes Geschöpf von spezieller Schönheit. Sie kommt bei allen gut an. Der Kellner kam an den Tisch, gerade, als sie mir sagte, dass sie mir was sagen muss "Ich bin schwanger!" Der Kellner freute sich riesig mit und brachte ihr sofort ein kleines Törtchen auf Kosten des Hauses. Das Strahlen des Mexikaners erlosch, ich glaube, er hat sich auf den ersten Blick in sie verliebt. 

Sie hatte ihren Hund dabei, der sich leider sofort daran machte, den Welpen vom Nachbartisch zu zerfleischen, denn es ist ein sanftmütiger, feiger Hund, der sich nur mit Welpen anlegt. Der Hundetrainer blieb ganz gelassen "Das ist sein gutes Recht und meiner muss das lernen." Fabelhafter Mann.

Gegen 19 Uhr brachen wir schweren Herzens auf, ins bescheuerte Marienfelde (oder Mariendorf, ich bring das immer durcheinander). Draußen stürmte es, hauchzarte Schneeverwehungen hatten mein Auto eingehüllt und deshalb war auch gleich überall Stau, wie immer in Berlin, wenn Wetter ist. 

In der Dokorunde saß auch ein Grippemonster am Tisch, das ich streng und durchdringend ansah und wegen dem ich schon zwei Stunden später den Abflug machte. Ich hatte genug Gefahrenmomente heute.




Dienstag, 13. März 2018

Veränderungen, die die Welt nicht braucht

Wenn ich was im Leben nicht mag, dann sind es Veränderungen, vor allem dann nicht, wenn gerade alles gut läuft. Ich bin sehr unflexibel. Die Königin des Starrsinns. Oder um es mit Homer Simpson zu sagen: "Nein!"

Als vor ein paar Jahren plötzlich Leben in Form von lauter neuen Nachbarn in die Bude kam, konnte ich mein Glück kaum fassen. Meine Freunde gegenüber und nun auch noch die volle Auswahl im von mir bewohnten Mietshaus. Bis dahin hatte ich den Garten immer nur alleine genutzt, d.h. Freunde und ich bevölkerten ihn. Keiner der anderen alteingesessenen Mieter fand je seinen Weg ins Auenland hinterm Haus und mir war es recht.

Innerhalb kurzer Zeit zogen drei Paare ein, mit denen ich eine richtig gute Zeit hatte. Wir feierten Geburtstage, den Feierabend und die Fußball-WM, vorzugsweise im Garten, in dem ich kaum noch alleine war. Mir war's recht.

Höhepunkt unser nachbarschaftlichen Beziehungen war die Hochzeit des einen Paares, sie die Tochter des Vermieters. Wir waren zwar erst zum Abend eingeladen und zum Zeitpunkt unseres Eintreffens nichts mehr zu essen übrig, aber die Stimmung war gut und wir tanzten die ganze Nacht durch. Es war eine ziemlich gelungene Hochzeit und vor allem der Bräutigam fiel auf mit leidenschaftlicher Tanzwut, vor der auch die 90 jährige Oma nicht verschont blieb - was ich besonders liebenswürdig fand. 

In der Folge fanden noch zig Grillabende statt, wir ließen uns nach Büroschluss von den Mücken zerstechen und waren zufrieden mit der Gesamtsituation. 

Der Winter kam und damit die erste Trennung. Das frisch verheiratete Paar hatte es gerade mal neun Monate miteinander ausgehalten. Ihr war langweilig und ihr Mann wurde in einer Nacht und Nebel Aktion expediert, er ging ohne ein Wort des Abschieds und ohne, dass wir Genaueres wussten.


Das zweite Paar tat ein paar Monate später kund, dass sie zwar noch gute Freunde seien, es aber keine Sekunde länger miteinander aushalten können. Trotz der allgemein grassierenden Wohnungsnot fanden sie in Windeseile zwei neue Wohnungen und verschwanden, zu unser aller Bedauern.

Das dritte Paar tat kund, dass sie ein Haus bauen werden, nur fünf Kilometer entfernt, es würde alles beim Alten bleiben, versicherten sie, als sie in meine schreckgeweiteten Augen sahen. Dabei weiß doch jeder, dass nichts beim Alten bleibt. In sechs Wochen sind sie auch weg. 

Inzwischen wissen wir Genaueres bezüglich der Trennung der Vermietertochter und das hat zu einer unausgesprochenen, aber deutlichen Abkühlung geführt bis es neulich sogar zu einem völligen Abbruch der Beziehungen kam. 

Wegen ihr waren wir nämlich immer sehr nachsichtig mit dem Vermieter selbst, der sich nun aber einen Korken geleistet hatte, den wir dann doch ahnden mussten. Unsere Beschwerdebriefe nahm er persönlich und seine Tochter nahm sie uns auch übel. Sie ließ uns über ihn mitteilen, dass das "Vertrauensverhältnis unwiderbringlich zerstört" sei. 

Da staunten wir nicht schlecht und erinnerten uns, dass sie uns damals bei der Hochzeit ja quasi haben verhungern lassen und das sei eigentlich schon ein Zeichen gewesen.

Die zukünftigen Häusle-Besitzer haben ja gut lachen und schreiben nun einen Brief nach dem anderen, mit so einer richtigen Freude machen sie das, sie lassen praktisch alles raus, was sie sich bisher verkniffen haben, aber was wird aus mir, wenn sie auch noch weg sind?

Selbst wenn ich mich entscheiden sollte, auch zu gehen: es gibt keine bezahlbaren Wohnungen mehr auf dem Markt, außer, ich könnte mich auf 34 qm im fünften Stock ohne Fahrstuhl und ohne Balkon an einer Hauptverkehrsstraße beschränken, wobei ich noch wegzuatmen hätte, dass ich dafür ebensoviel zahlen müsste wie jetzt. 

Und das Schlimmste kommt noch: aus dem Garten soll ein Parkplatz werden. Er ist schon abgeschlossen und alles an Grünzeug ist abgeholzt worden, bis auf die riesigen Silberfichten.

Ich hadere mit der Gesamtsituation. 

Donnerstag, 8. März 2018

Andere Frauen, andere Leben

Zeitlebens bin ich fasziniert von Menschen, die Dinge machen, die mir völlig fremd sind. 

Ich las in der Zeitung von einer Frau, Juristin, die mit 36 Jahren beschloss, Nonne zu werden. Hierzu fand sie sich an der Tür zum Kloster in Altomünster ein und als ihr eine Nonne die Tür öffnete und sie freundlich anlächelte, nahm sie das als gutes Zeichen und zog gleich ein.

Leider ist besagtes Kloster wohl schon damals, 2015, in eher renovierungsbedürftigem Zustand, außerdem fehlte es an Nachwuchs - also wurde der Laden im Januar 2017 aufgelöst und die letzten paar Nonnen zogen aus, wohin auch immer.

Aber diese Frau blieb, denn sie war der Meinung, Gott wolle das so. Die Erzdiözese München findet das nicht so toll und meint, sie sei eine gewöhnliche Hausbesetzerin und keineswegs eine Postulantin (also eine Anwärterin auf ein zweijähriges Noviziat, an deren Ende man Nonne wird). 

Naja, seitdem lebt sie also ganz allein in dem Kloster, das Wasser wurde ihr abgestellt und in die Chorkapelle, in der sie sieben Mal am Tag beten möchte, kommt sie nur rein, wenn sie durch einen schmalen Gang unter dem Dachstuhl kriecht - denn die Tür haben sie ihr auch verschlossen. 

Sie hat eine Räumungsklage erhalten, gegen die sie vor Gericht aufbrausend aber gut vorbereitet ankämpft. Nun muss der Vatikan entscheiden und prüft und prüft. Das Brautkleid, mit dem sie am Tag ihrer Verlobung mit Jesus Christus reüssieren will, hat sie schon gekauft und hält es fröhlich in die Kamera. Sie sieht erwartungsgemäß wie aus der Zeit gefallen aus, vom Kleid gar nicht zu reden.

Nun frage ich mich: was muss in einer inzwischen 39 jährigen Frau vorgehen, die mutterseelenallein in einem vor sich hin bröselndem Kloster lebt und dabei - trotz allem - sehr glücklich ist? Was ist schief gegangen in so einem Leben? Und hat man nicht nachts Angst, so ganz allein im Gemäuer?

Als wir mal ein Chorwochende im Winterrefektorium des Doms zu Brandenburg verbrachten und ich im schlecht beleuchtetetn, düsteren Kreuzgang das Klo suchte, wurde mir schon äußerst mulmig.

Und weshalb zieht sie nicht in ein anderes Kloster, da könnte sie sich ja auch zur Nonne ausbilden lassen? Und was denken die anderen Nonnen von ihr, die brav ausgezogen sind? Womöglich freuen sie sich, dass sie die Querulantin los sind? Oder sitzen die jetzt in einer anderen kargen Kammer und bewundern die Ausdauer des jungen Talents? Aber wer um Himmels Willen kriecht freiwillig mehrmals täglich und womöglich auch in der Nacht durch Dachfirste, um in der Kapelle beten zu können, wo sich doch praktisch überall beten lässt, wenn man denn beten möchte?

Ich finde das alles wirklich faszinierend und frage mich, was muss passiert sein in so einem Leben, um da zu sein, wo sie ist? Warum will man da hin und weshalb will man bleiben? Was wird kompensiert, verdrängt und was ist nie geheilt?


Aus der SZ vom 5.3.18 "Mit Gottes Hilfe gegen den Vatikan"

Samstag, 3. März 2018

Hoch die Hände, Wochenende

Heute war ich mal einkaufen. Man muss wissen, ich hasse einkaufen. Wenn ich mal im Lotto gewinne, werde ich nie wieder einkaufen. Das machen dann andere Leute für mich. 

Jedenfalls bin ich zum OBI Baumarkt, um mir vernünftige Klettbänder für die Mückengaze vor den Fenstern zu kaufen. Im Spätherbst habe ich so Billigzeugs von Aldi gekauft und schon nach drei Stunden war die Hälfte wieder vom Wind verweht, deshalb kann  ich schon die ganze Zeit nicht lüften, wegen der Spinnen. Sonst habe ich immer vergleichsweise frische Luft in meiner Wohnung, weil ich für gewöhnlich Tag und Nacht die Fenster geöffnet halte. Das muss so, wenn man in der Wohnung raucht. Wenn mir Gäste sagen, dass man gar nicht riecht, dass ich rauche, bin ich so glücklich wie eine Hausfrau aus den Fünfzigern.

Ich also los und weil ich schon mal dabei war, bin ich anschließend rübergeschlendert zum Möbelhaus, wo es aber nur breihässliche Sachen gab, was nichts macht, ich habe ja Möbel genug. Was mir allerdings fehlt, ist ein Sessel. Wir haben nämlich in der Arbeit neuerdings einen Ruheraum mit einem Liegesessel. Man kann den so nach hinten kippen, bis man liegt. Ein Träumchen, auf dem mache ich gerne meine Mittagspause und meistens schlafe ich ein. So ein Nickerchen am Tag ist sehr gesund. Zum Glück liegt der Ruheraum so abgeschieden, dass ihn niemand aufsucht, außer mir. Ich habe schon viele schöne Stunden auf dem Trumm verbracht. 

Er ist recht unansehnlich, was diesen Sesseln leider gemein ist, aber im Büro ist mir das freilich wurscht. Im Möbelhaus kam dann auch so eine Abteilung mit Fernsehsesseln, elektrisch zu bedienen, einer hässlicher als der andere, aber da ich sowieso gerade eine Pause brauchte, probierte ich einige aus. Was soll ich sagen, ich brauche unbedingt so ein Gerät. Aber natürlich nur in schön. Das wird eine Aufgabe, an der ich scheitern werde, klaro, aber vielleicht schreibe ich eine Petition. 

Einer der Sessel hatte sogar einen Mechanismus, der mir beim aufstehen hilft. Den hätte ich mal haben sollen, als ich Rücken hatte. Ich konnte mich kaum lösen, aber die Verkäufer sahen mich schon komisch an, denn noch sehe ich nicht aus wie die Zielgruppe, hoffe ich jedenfalls. Wenn ich in Rente gehe, kauf ich mir so ein Ding, spätestens, auch wenn ich mich dann schämen muss. So wollte ich eigentlich nie enden. Ich hätte ich nie reinsetzen dürfen.

Später, auf dem Weg zum Ausgang, kam ich an der Posterabteilung vorbei. Schauerliche Fotos waren auf Leinwand aufgezogen, wobei mir eins gefallen hat: ein hübsches, gigantisch großes Bild von einem Wald. Es war so gut fotografiert, dass ich gleich ein bisschen spazieren gehen wollte. 

Ich erinnerte mich an die frühere Mode von Fototapeten. Das müsste doch auch bald wieder modern werden. Oder ist es das schon und ich hab's nicht mitbekommen? Ein Serverfehler an der Kasse und daraus resultierende Menschenschlangen bewahrten mich vor einer unüberlegten Handlung. Der Wald blieb im Möbelhaus.

Weiter zu Glen, meinem Optiker. Wir sind mittlerweile so dicke miteinander, dass er mir Fotos aus dem Urlaub whatsappt. Ich muss jetzt auch immer mehr Zeit einplanen, weil wir so lange quatschen. Manchmal muss ich direkt schon auf die Toilette, was aber blöde ist, denn der Laden hat keine Toilette; dann muss ich auf das öffentliche WC gehen, was Gottseidank auch im Untergeschoss des SSC zu finden ist. 

Heute hatte er frei und so bediente mich ein junger Mann, der mir noch viel Neues sagen konnte zu meiner Augenproblematik und eine sagenhaft schöne Augenfarbe hatte: hellblau mit einem dunklen Rand. Als er in meine Akte sah, sagte er gleich, Ah, sonst bedient Sie ja immer Glen und ich dachte, du meine Güte, das ist sogar verzeichnet. Ich glaube, Glen ist der Schwarm aller mittelalterlichen Damen mit Hornhautverkrümmung. 

Noch viel später las ich Zeitung. Das hätte ich mal lieber gelassen, denn mein Leben ist in Gefahr. Durch den Temperaturwechsel, der uns bevorsteht - fast 20 Grad Unterschied - steigt das Risiko eines Herzinfarktes. Na toll. Ich bleibe zuhause, bei gleichbleibenden Temperaturen, denn eben ist die Dezemberaffaire gekommen, wir haben noch 60 Folgen von den Sopranos vor uns.