Freitag, 20. Januar 2017

Die Nacht vor dem Weltuntergang

Nachdem ich Anfang der Woche in einem Meeting einen so grässlichen Hustenanfall bekam, dass ich beinah im Strahl gekotzt habe und das auch noch in aller Öffentlichkeit, weil unser neuer Besprechungsraum vollständig verglast ist und ich auf der Suche nach dem nächsten Klo orientierungslos im Flur herumgetorkelt bin und als ich es dann endlich gefunden habe, mir alle  Unterlagen zu Boden fielen und ich also hustete und hustete und einfach nicht mehr aufhören konnte, sah eine Kollegin später nach mir und schickte mich ohne wenn und aber nach Hause, bzw. zum Arzt und ich solle erst wieder kommen, wenn ich gesund bin, nicht ohne mich zu informieren, dass ich wirklich beschissen aussehe und zwar noch schlimmer als am Tag zuvor, obwohl das fast nicht vorstellbar sei.

Ich gab auf und fuhr zum Arzt. Obwohl wichtige Termine anstehen, aber ich muss der Wahrheit ins Gesicht sehen, es geht wahrscheinlich doch ohne mich. Der Arzt bekommt mich nur selten zu Gesicht, ca. einmal pro Jahr, wenn ich schweren Schnupfen habe. Das nutzte er gleich und fragte sehr sanft, ob ich nicht mal wieder Blut abnehmen lassen möchte. Nein, das möchte ich nicht, das weiß er auch, da muss er gar nicht fragen. Da könnte viel zu viel rauskommen. Vage verspreche ich, demnächst vorstellig zu werden.

Schon neulich als ich bei Yun war, diesem empfehlenswerten Optiker in Mitte, bei dem man seine Brille nach 20 Minuten fix und fertig in die Hand bekommt, hatte ich Angst, dass der Sehtest einen Hirntumor ans Licht bringt (ist einer Kollegin passiert, seitdem fürchte ich sogar Optiker). 

Ich verbringe meine Tage wie folgt: Ich frühstücke und muss danach sofort wieder schlafen gehen. Später gehe ich frische Luft schnappen, um anschließend erneut in Tiefschlaf zu fallen. Den Rest des Tages schaue ich zufrieden fern. Die Nächte liege ich nicht etwa wach, dank Codein-Hustentropfen. Ein Teufelszeug. 20-30 Tropfen soll man nehmen, ich nehm nur 15.

Einmal nahm ich 30 Tropfen, als sich wieder so ein Pseudo-Krupp ankündigte und siehe da: ich hatte den ersten Trip meines Lebens oder sowas ähnliches. Lull und Lall war ich und dann klingelte es auch noch an der Tür und meine Freundin von gegenüber meinte, wie siehst du denn aus? Herrgottnochmal, ich hab doch nur keinen Lippenstift drauf, ich bin einfach zu müde für Schminke. Sie sah mich zweifelnd an und verstieg sich zur Aussage, meine Augen seien gelb. 

Als Hypochonder bin ich eigentlich sehr empfänglich für solche Gutachten, in diesem Fall allerdings nahm ich das Gehörte keine Sekunde ernst. Erstens sah ich sicherheitshalber nach und da war nichts, nada, niente gelb und zweitens hat sie sich längst mit früheren Aussagen deklassiert, wie beispielsweise, dass der Mensch 20.000 bis 30.000 Herzschläge pro Minute habe und dass eine Kollegin von ihr ein Kind mit Dow-Jones-Syndrom hat. Medizinische Probleme bespreche ich mit ihr nicht und wie sie damals in Bio-Leistungskurs reingekommen ist, ist uns allen ein Rätsel. 

Der anderen Freundin von gegenüber, einer medizinische Fachkraft, erzähle ich hingegen von meiner Befürchtung, mir durch das Verschleppen der Grippe eine Herzmuskelentzündung angelacht zu haben, weil ich so schlapp bin. Darüber lacht sie nur und breitet vor mir das bunte Kaleidoskop aller Symptome aus. Ja, zweifle ich, aber irgendwann fängt das ja mal an und vielleicht bin ich in den Anfängen? Sie amüsiert sich prächtig, was auf mich eine beruhigende Wirkung hat.

Jedenfalls gucke ich so Sachen, wo Frauen Hochzeitskleider anprobieren und treffsicher das hässlichste aussuchen und zur Kontemplation Panda, Gorilla & Co. Diese Zoosendungen könnte ich tagelang gucken, und dann stelle ich mir immer vor, wie beschaulich so ein Leben als Tierpfleger sein muss und ob es für eine Umschulung schon zu spät ist. Ich trüge praktische Dienstkleidung, hätte 5-10 Tiere, zu denen ich eine persönliche Beziehung aufbaue, weil ich sie von Hand aufziehe. Dann würde ich viel Gemüse schnippeln und mir beim füttern viel Zeit lassen. Ab und an kommt der nette Zoodirektor vorbei und manchmal ein Fernsehteam, aber ich bin so tiefenentspannt, dass ich nicht mal mehr Lippenstift benutze.

Heute werde ich mir die Inaugoration von Trump ansehen, von Anfang bis Ende, in der Hoffnung, dass (beliebige Wünsche hier eintragen).

26 Kommentare:

  1. "Heute werde ich mir die Inaugoration von Trump ansehen, von Anfang bis Ende, in der Hoffnung, dass..."

    ... Dir der Arzt daraufhin gleich noch mal 'ne Woche Nachschlag geben muß? ;-)

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    1. Nein, weil ich gerne bei historischen Ereignissen dabei bin, im guten wie im schlechten.

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  2. "... und zweitens hat sie sich längst mit früheren Aussagen deklassiert, wie beispielsweise, dass der Mensch 20.000 bis 30.000 Herzschläge pro Minute habe und dass eine Kollegin von ihr ein Kind mit Dow-Jones-Syndrom hat."

    Echt jetzt? Und sowas kann frei herumlaufen, also in dem Sinne, daß sie schon den aufrechten Gang beherrscht?
    Uaah, bekomme Schütteltrauma in der Halsmuskulatur...

    MfG
    Arno Nuehm

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    1. Ich kannte mal eine ehrwürdige Prokuristin, die war sich absolut sicher, dass die Nabelschnur des Fötus an dessen Mund angebracht ist, sonst könnte es ja die Nahrung im Mutterleib gar nicht aufnehmen.

      Auch ansonsten schlaue Leute haben ihre Begrenzungen und Fehlannahmen.

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    2. Echt? Ihr seid ja Glückspilze!
      Ich krieg immer geich einen Gong, wenn ich mal krank werde. Nix halbes.
      Ich hoffe es geht Dir besser?

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  3. der pfleger von knut ist am herzinfarkt gestorben

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  4. "Wohnen" ist eine unterschätzte Tätigkeit. Du solltest zwingend noch ein paar Tage trainieren

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  5. Die Symptome deuten auf Lungentubakulose im Endstadium hin. Daran ist Kafka gestorben. Ich empfehle vier Wochen Zaubaberg.

    Dokta Bonetti

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    1. Gestern habe ich gelesen, solange man eine Kerze aus 50 cm Entfernung auspusten kann, ist alles okay. Ich über seitdem wie verrückt.

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  6. ach du ärmste. Gute Besserung, ich nahm auch mal selbige tropfen, herrlich, das einzige, das gegen diese gräßlichen attaken geholfen hat.
    Heute verspüre sogar ich den drang zum arzt zu gehen. ich habe eine brennende stelle auf dem rücken. blick in den spiegel: pusteln....ich hoffe nicht, dass das eine beginnende gürteldings ist....ich kann nicht krankgeschrieben werden. es brennt und tut weh aber man kann arbeiten..ich brauche meine jobs.....und je älter ich werde, desto mehr verfalle ich ungebremst auch der leichten hypochondrie.....
    grauenvoll

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    1. Sag mal, wird man bei dir gleich gefeuert, wenn man krank wird? Das ist ja empörend. Gürtelrose... wie blöde! Geh mal unbedingt zum Arzt.

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    2. @ Hedera

      Bei einer Gürtelrose gibt es eigentlich kein vertun. Einseitiges Auftreten und extremste Mattigkeit. Unvorstellbare Mattigkeit. Also so, wie in aller-allerschwerster Krankhet. Da denkt man nicht mal mehr darüber nach arbeiten zu gehen und sollte man es tun, bricht man nach spätestens 3 Stunden zusammen.
      Also keine Sorgen machen, es ist aller Wahrscheinlichkeit nach keine Gürtelrose.

      Gute Besserung wünsche ich!


      @ Annika

      allerbeste Besserung wünsche ich!

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    3. Liebe Tiker, ich hatte auch schon eine Gürtelrose und außer unangenehmen neuralgischen Schmerzen keine weiteren Symptome.
      Hedi hat durchaus Chancen :(

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  7. Huch, du liebe Zeit, ich wusste ja nicht, wie schlimm es um dich steht!
    Du musst jetzt viel trinken. Empfehle ein Tässchen Sizzurp. Die Zutaten haste ja im Haus :-)))
    Gute Besserung

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  8. Bedenke: du hast deine Krankheiten auch, wenn du Untersuchugen verweigerst. Du bringst dich damit nur um die Chance, rechtzeitig etwas dagegen zu tun.

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