Freitag, 10. März 2017

Tschäinsch Männädschmänt

Ich möcht's gar nicht laut sagen, nicht mal denken, aber fast wünsche ich mich in meine kleine Enklave zurück, ruhig vor mich hinliegend und die Welt da draußen Welt sein lassen, die mich nichts angeht. 

Wenn ich gewusst hätte, dass ich mal Cheffe nachtrauere, den ich für den Schlimmsten hielt und untoppable... ach du meine Güte, da wusste ich nicht im entferntesten, was das Leben noch alles für mich bereit hält.

Nun alles neu. Und viel besser. Ich kotz im Strahl und finde kaum noch Worte zu beschreiben, was da alles passiert, weil nichts passiert. Es ist ja so: Ein paar Leute denken sich Dinge aus, die nicht umsetzbar sind. Sie zentralisieren zum Beispiel. Aber ohne genügend Personal zu zentralisieren. Und digitalisieren. Jedenfalls sagen sie, dass das getan wird. Aber sie tun nix, damit es auch getan werden kann. Sie sagen es einfach so dahin und kraft Osmose soll es über Nacht passieren. 

Was vorher 70 Leute gemacht haben, sollen jetzt drei machen. Die noch gar nicht eingestellt sind. Macht nix. Muss trotzdem gemacht werden. Von wem? Wen interessiert's, es muss gemacht werden. Die Software muss dafür umgebaut werden, der Dienstleister schafft seit Monaten nicht, ein neues Tool dafür zu bauen. Macht nix, Mail an alle, ab sofort wird XY so gemacht mit Hinweis auf das Tool, das es noch nicht gibt. Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich träume, ein extrem langer Traum ist das allerdings, der offenbar nicht enden will.

Noch eine Neuerung: wir sollen jetzt an mindestens drei Orten schriftlich darlegen, was wir so machen, wie weit wir sind, was wir demnächst machen werden, ob wir schon damit angefangen haben, wann wir anfangen werden, wann wir damit fertig sein werden. Und am Ende müssen wir das einmal pro Woche mündlich darstellen, damit auch alle anderen wissen, was wir machen, denn natürlich reicht es nicht, dass wir alles verschriftlichen, weil niemand die Zeit und keiner Interesse hat, zu lesen, was andere machen und wie weit sie schon gekommen sind. 

Anstatt die Arbeit einfach zu erledigen, muss ich Romane drüber schreiben, was ich gedenke zu tun.

Es gibt Kanban Listen, Wunderlist, White Boards und wir dürfen uns aussuchen, ob wir mit Post its oder Magneten arbeiten wollen. Ich möchte mir aussuchen, dass ich diesen Scheiß nicht mitmachen muss. Demnächst werden wir in einem Großraumbüro sitzen, weil man dann mitbekommt, woran die anderen arbeiten, das dient der internen Kommunikation und alle haben glücklich zu sein. Mir graut vor dem Tag.

Uns wird angeboten, Projekt-Management-Seminare zu besuchen, denn Projekt Management ist die heilige Kuh; es ist ein Wunder, wie bisher alles geklappt hat, als wir noch alle ohne dieses heißen Scheiß gearbeitet haben.

Neue Software, ganz wichtig. Sinnlos, zu erwähnen, dass die aktuelle hervorragend durchdacht ist und fehlerfrei funktioniert; das einzige, was man erntet, sind verächtliche Blicke, weil man sich gerade als unflexibler, vergangenheitsorientierter und sowieso viel zu alter Honk geoutet hat. 

Die neue Software ist instabil, grottenlangsam und katapultiert in die Anfänge des Computerzeitalters zurück, weil sie derart umständlich programmiert ist, dass man weinend über dem Bedienerhandbuch zusammenbricht. Denn natürlich sind Schulungen out (ebenso wie Mittagspausen). Alle Tage kommen 37seitige Handouts per Mail, die zu lesen niemand Zeit hat. All der Kram wird in Ordner verschoben und gammelt vor sich hin, ein jeder ist auf der Suche nach jemandem, der es einem erklären kann. 

Die Grundstimmung ist schleichende Verzweiflung und innere Kündigung. Jeder, der kann, rettet sich woanders hin. Ihnen wird verächtlich hinterher gelacht, wo der jetzt gelandet ist, lächerlich. Von dem Glücklichen bekommt man sms, dass es wie auf Kur sei, dort wo er jetzt ist. "Hol mich hier raus" wird neidvoll hinterher geseufzt. Die, die schon bei uns niemand mehr will, verharren resigniert und desillusioniert, weil sie woanders auch nicht mehr marktfähig sind. 

Wie die Lemminge versuchen wir zu schaffen, was nicht zu schaffen ist, niemand begehrt auf, denn wenn man das tut, dient das nur der eigenen Existenzvernichtung. 

Mein Mantra: es ist nur Arbeit.

18 Kommentare:

  1. Mir fällt da spontan der Begriff Borgwürfel wieder ein

    AntwortenLöschen
  2. Die Fachliteratur zu Emotional cycles of change sieht eine Phase im "Tal der Verzweiflung" vor. Nicht alle verlassen dieses Tal..

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das steht zu befürchten.
      Aber ich werde gleich mal die Fachliteratur zu Rate ziehen.

      Löschen
    2. Das eigentliche Problem ist ja, dass man inzwischen in konstanten Veränderungsprojekten steckt. Gerade ist das eine durch, dann kommt das nächste. Aber das wird so bleiben. Irgendwann hat man aber auch bei bestem Willen die Schnauze voll.

      Löschen
    3. Wo ist nur der Sinn vons Janze?

      Löschen
  3. Erinnert mich an ein Lied: "... Formular zur Bestellung eines Formulars...", unerträglich. Bei manchen Menschen ist es ein Gewinn, wenn sie schlafen statt arbeiten, weil sie dann nichts anstellen. Diese praxisfernen Akademiker(meist) bekommen alles kaputt. Wir als Kleinunternehmer(5 AK) kommen in deren Denken nicht mehr vor.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und sie agieren mit eisiger Kälte. Wer hat die erzogen, frage ich mich?

      Löschen

  4. Du musst nur die Laufrichtung ändern, sagte die Katze zur Maus und fraß sie.

    Franz Kafka *tätschelndmitSEUFZzz*

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Aus "Der Prozess" wurde "Die Prozessoptimierung".
      Ich träume neuerdings, als wäre ich in einem Kafka-Roman gefangen.

      Löschen
  5. Das liest sich alles schon sehr, sehr kiezneurotisch. Einschließlich "niemand begehrt auf, denn wenn man das tut, dient das nur der eigenen Existenzvernichtung". Und das Wort "Honk" kommt auch drin vor.
    Meine Damen und Herren: ER ist wieder da.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Leider nein.
      Ich glaub, jetzt rotiert er im Grab ;)

      Löschen
  6. Willkommen in der Welt, so wie ich sie kenne! Und ich kann Herrn Ackermann nur zustimmen, bin aber auch noch nicht so weit. Gegen besseren Wissens stirbt die Hoffnung zu meiner eigenen Überraschung tatsächlich erst zum Schluss. Manchmal nie! Und da der Wahnsinn überall um sich greift, kann man auch im bekannten Irrsinn verweilen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Man kann sich immer noch mit den Füssen nach oben aufhängen lassen und sich mit dem Hammer auf den Kopf schlagen, um auf andere Gedanken zu kommen.

      Löschen
    2. Ich bekam was tolles gemailt von einem sehr, dehr geschätzten Blogger:

      Vor einiger Zeit verabredete eine deutsche Firma ein jährliches Wettrudern gegen eine japanische Firma, das mit einem Achter auf dem Rhein ausgetragen wurde. Beide Mannschaften trainierten lange und hart, um ihre höchsten Leistungen zu erreichen. Als der große Tag kam, waren beide Mannschaften topfit, doch die Japaner gewannen das Rennen mit einem Vorsprung von einem Kilometer.

      Nach dieser Niederlage war das deutsche Team sehr betroffen, und die Moral war auf dem Tiefpunkt.

      Das obere Management entschied, dass der Grund für diese vernichtende Niederlage unbedingt herausgefunden werden müsse. Ein Projektteam wurde eingesetzt, um das Problem zu untersuchen und um geeignete
      Abhilfemaßnahmen zu empfehlen. Nach langen Untersuchungen fand man heraus, dass bei den Japanern sieben Leute ruderten und ein Mann
      steuerte, während im deutschen Team ein Mann ruderte und sieben steuerten.

      Das obere Management engagierte sofort eine Beraterfirma, die eine Studie über die Struktur des deutschen Teams anfertigen sollte. Nach einigen Monaten und beträchtlichen Kosten kamen die Berater zu dem Schluß, daß zu viele Leute steuerten und zu wenige ruderten.

      Um eine weitere Niederlage gegen die Japaner vorzubeugen, wurde die Teamstruktur geändert. Es gab jetzt vier Steuerleute, zwei Obersteuerleute, einen Steuerdirektor und einen Ruderer.

      Außerdem wurde für den Ruderer ein
      Leistungsbewertungssystem eingeführt, um ihm mehr Ansporn zu geben. "Wir müssen seinen Aufgabenbereich erweitern und ihm mehr Verantwortung geben."

      Im nächsten Jahr gewannen die Japaner mit einem Vorsprung von zwei Kilometern.

      Das Management entließ den Ruderer wegen schlechter Leistungen, verkaufte die Ruder und stoppte alle Investitionen in ein neues Boot.

      Der Beratungsfirma wurde ein Lob ausgesprochen, und das eingesparte Geld wurde dem oberen Management ausbezahlt.



      Löschen
  7. "Nach langen Untersuchungen fand man heraus, dass bei den Japanern sieben Leute ruderten und ein Mann
    steuerte, während im deutschen Team ein Mann ruderte und sieben steuerten."

    Erinnert mich etwas an das hier:

    https://www.lachmeister.de/lustige_bilder/images/lustiges_bild_management-auf-dem-bau.jpg

    Ist schon etwas älter, aber immer noch gut ;-)

    AntwortenLöschen
  8. Wir scheinen in der gleichen Firma zu arbeiten.
    Komisch, du bist mir noch nicht über den Weg gelaufen.

    Kopf hoch. schlimmer geht immer ;)

    AntwortenLöschen