Sonntag, 11. Juni 2017

...wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt

Vor ca anderthalb Jahren hat mich die Auftragsmörderin zum Doppelkopf spielen animiert. Damals vermutete ich schon, dass wir uns zukünftig die Nächte um die Ohren schlagen werden und ich hatte recht. Wir sind praktisch stadtbekannt. Neulich haben wir sogar an einem Turnier teilgenommen, ich belegte den vorletzten Platz wegen meiner voreiligen Züge und sie den Dritten. Als Gewinn trug sie einen gebrauchten Spargeltopf heim. 

Unsere Kreise ziehen immer weiter, ich habe in Wohnungen wildfremder Menschen gespielt und das Tolle am DoKo: es gibt keine Altersbegrenzungen, weder nach unten noch nach oben. DoKo macht alle gleich. So habe ich erstaunlich interessante sehr viel ältere und sehr viel jüngere Menschen kennengelernt. Und alle rauchen. 

Unsere Homebase ist jedoch eine ehrwürdige alte Kneipe, in der man rauchen darf und nichts zu essen bekommt, außer Wiener Würstchen. Sie war mir bekannt von einem Date-Desaster, bei dem ich mit einem fusselbärtigem Waldschrat die zwei längsten Stunden meines Lebens verbrachte und von diesem Abend hier.

Wir wissen, dass wir ab 22 Uhr nicht mehr draußen sitzen dürfen, weil direkt nebenan eine libanesische Großfamilie im Erdgeschoss wohnt, die zwar bis weit nach Mitternacht auf der Straße sitzend ihre Shisha-Pfeifen raucht und dabei hörbar palavert, wogegen niemand Einwände hat; die im Umkehrschluss jedoch eine Null-Toleranz-Politik fährt bezüglich der Kneipengäste, die zwei Meter weiter ebenfalls vor dem Haus sitzen. Aber sie kennen die Gesetze und achten auf deren Einhaltung. Einmal fühlten sie sich derart verärgert, dass sie das SEK anforderten und das Verrückte war: das SEK kam auch. 

Die werden sich gewundert haben, als sie die paar ältlichen Gäste antrafen, von denen sie erstaunt und fragenden Blickes angesehen wurden. Das Setting war erholsam, stelle ich mir vor, denn es geht augenscheinlich keine Gefahr von der sichtbar untrainierten Stammkundschaft aus. 

Neulich saßen wir draußen, früh am Abend; das aufkommende Gewitter blies uns die Karten vom Tisch, also gingen wir rein. Keine 30 Minuten später brach draußen Geschrei los, Tische wurden umgeschmissen, Gläser zerbrachen, und ein Mann um die 60, an dessem Stuhl sich einer aus dem Pulk der nach Hause kommenden Nachbarn im Vorbeigehen gestoßen hatte, wurde verprügelt, weil nicht nur der Stuhl passiv aggressiv im Weg gestanden hat, sondern der Unglückliche auch noch angeblich gesagt habe, er würde die Mutter des Patrons ficken. 

"Meesta, ich kenn doch deine Mutta garnich, was redsten du?" versuchte sich der Mann aus der Bredouille zu bringen, aber der kampfeslustige Chef-Nachbar wollte ums verrecken die Ehre seiner Mutter verteidigen, jetzt, wo er schon mal dabei war. Er tänzelte wie Rocky Balboa vor ihm hin und her und brüllte immer wieder "Nenn misch Hurensohn, nenn misch Hurensohn", in der Hoffnung auf einen triftigen Grund.

Eine Frau fing an, das Szenario mit dem Handy zu filmen, nur drei andere Männer konnten ihn davon abhalten, auch sie unverzüglich zu Brei zu schlagen. 

Die Polizei kam und wie jeder Psychopath wurde er sofort ruhig und nahm einen der Polizisten vertraulich zur Seite, um in aller Seelenruhe zu schildern, wie er provoziert und angegriffen wurde. Der Polizist hörte sich das ebenso seelenruhig an. 

Drinnen erinnerte sich die Auftragsmörderin, dass sie doch letzte Woche erst von ihm bedroht wurden, sie sollten alle abgestochen werden, weil... ja weshalb eigentlich? Man weiß es nicht. Es wurde beschlossen, dass man die Polizisten informiert, zur Unternmauerung der komplizierten Persönlichkeitsstruktur des Nachbarn. Dafür bekamen sie einen Anschiss. Weil sie nicht schon letzte Woche die Polizei geholt hatten. "Je mehr wir haben, desto besser." sagte der Polizist und nahm die Personalien meiner Mitspieler auf.

Da das aber immer noch nicht ausreichte, zogen die Polizisten wieder ab. Nach 10 Minuten stürmten die Nachbarn nun in die Kneipe, ein riesiges Tohuwabohu brach aus, denn nun passte ihnen nicht, dass der Wirt bisher versäumt hatte, die Glasscheiben wegzufegen, die, wie wir alle wissen, ja nur deshalb auf dem Boden lagen, weil zuvor die Ehre der Clan-Mutter verteidigt werden musste, die zwar niemals weniger in Gefahr war, aber sei's drum.

Die Polizei kam erneut und der Wirt fegte die Scherben weg. Sonst passierte nichts weiter.

6 Kommentare:

  1. Sie hören seit Sonntag live im Kommentarteil: das Schweigen der Lämmer.

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    1. Ich habe lange über deinen Kommentar nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es so gut wie unmöglich ist, diesen Text zu kommentieren, ohne in Verruf zu geraten; selbst ihn zu schreiben, birgt diese Gefahr.

      Ich stelle mir das Schweigen resignativ vor. Ich stelle mir die Polizisten resigniert vor. Ich bin ja selbst resigniert und kapituliere vor diesen sinnlosen Gewaltausbrüchen. Ob man nun Björn Höcke zuhört oder einem durchgeknallten Clan-Chef - die Welt ist verrückt geworden (jetzt ganz neu: nach längerer Zeit mal wieder direkt vor der Haustür).

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  2. Bei uns gibt's einen Stadtteil, da haben selbst die Bullen Schiss hinzugehen, weil er von einer libanesischen Großfamilie dominiert wird. Da hält man lieber die Klappe, ist doch klar.

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  3. Wir im Ruhrgebiet sind ja auch gesegnet mit solchen Vorfällen. Man hat den Eindruck es häuft sich, seit die Presse sich das Recht nimmt, die unverblümten Fakten zu nennen. Die Lämmer schweigen nicht mehr.

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  4. Wir haben hier auch gerade ein kleines Problem mit einem... für sein aufbrausendes Temperament bekannten... Etwas. Dein Post zeigt mir allerdings: es hätte auch schlimmer kommen können. Da wir noch nie Anzeige erstatten mussten, war uns nicht bewusst, dass der Angezeigte dann gewissermaßen per Post den Namen des Opfers erhält. Heißt nicht, dass wir die Anzeige dann nicht gemacht hätten, aber es ist halt blöd, wenn du nicht Müller, Meier oder Schulze heißt (so ein Bezirk kann ja auch ein Dorf sein) und gewissermaßen ein besonderer Kick, wenn die Nerven eh schon blank liegen. Dein Post lässt mich allerdings beinahe dankbar werden. Glück im Unglück. ;)

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