Donnerstag, 14. Juli 2016

Nachwehen

Ich lieg auf dem Sofa, das sehr groß ist und deshalb komme ich mir klein vor, innen wie außen. Ich schlaf auch gleich ein, ohne Decke; tagsüber schlafen ist eine passive und sehr angenehme Art, sich die Wunden zu lecken. Nach drei Stunden werde ich wach, weil jemand anruft. Ich geh nicht ran. Fühle mich benommen und immer noch lütsch. Erinnere mich, wie mein Oppa immer Püppi zu mir gesagt hat.

Fühl mich so winzig, dass ich gar nicht verstehe, dass alles, was ich sehe, mir gehört. Habe ich nicht eben noch bei meinen Eltern gewohnt, in meinem kleinen Dachzimmer mit den schrägen Wänden, dem honigfarbenen Licht, zur Westseite hin? Hat nicht eben noch mein Vater gerufen, dass ich zum Abendessen runterkommen soll? Oder zur Bescherung. Roch nicht eben noch alles nach Uhu?

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Wie konnte das so schnell gehen, dass ich jetzt hier lebe, umgeben von all den Sachen, die ich im Lauf der Jahre angehäuft habe. Es ist so erstaunlich, was mir alles gehört, wie etabliert das aussieht und überlege, was das wohl alles wert ist. Ich fange an zu zählen und höre nach einer Minute wieder auf, was soll denn dieses bilanzieren auch? Außerdem bin ich nicht gut im rechnen, schon gar nicht mit retardierter Matschbirne. 

Bleibe noch eine Weile in den weichen Kissen liegen und wünschte, ich könnte noch mal alle Verantwortung für mein Leben abgeben, an eine höhere Instanz, genannt Eltern, die für alles sorgen und mit denen ich Samstag Abend Wetten dass kucken könnte und meine Mutter würde für uns alle ein Schüsselchen mit geschälten Orangen bringen oder warmen Schokoladenpudding mit Leibnizkeksen drin. Und mein einziges Problem wäre, dass sie mich zu früh ins Bett schicken.

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Dabei hatte ich damals noch Angst vor der Geisterstunde, Frau Lavendel schrieb neulich drüber. Ich sah also schon zu, dass ich vor Mitternacht einschlief, wer weiß, was alles passieren würde. Jedes Mal, wenn ich nachts auf Toilette musste, war ich überzeugt, dass mich im dunklen Flur ein Gerippe erwarten würde. Und wie groß war erst der Schreck, als mir klar wurde, dass ich auch ein Gerippe habe, direkt unter meiner Haut, ziemlich nah fand ich das. Ich überlegte, wie wohl mein Schädel aussieht und gruselte mich zu Tode. So gesehen waren das auch handfeste Probleme. 

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Später am Abend übernimmt mein erwachsenes Selbst wieder das Ruder und ich lache ziemlich oft, als ich eine Persiflage auf diverse Horrofilme sah. Scream 5 oder so ähnlich. So groß bin ich schon, dass ich mir das angucke, jawohl. Es war allerdings auch weit vor Mitternacht.

12 Kommentare:

  1. Sehr schöner Text, wunderbare Stimmung.

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    1. Sei bedankt. Ich war unschlüssig, ob ich das poste.

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    2. Es war die richtige Entscheidung. Mich hat es gleich inspiriert, beim Preisausschreiben von "Ackerbau in Pankow" etwas zur Erlebniswelt "Waschstraße" in Kindheitstagen zu posten.

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    3. Was hätte denn gegen das Posten gesprochen? Ich empfinde den Text als sehr stimmig und ehrlich.

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    4. Mir schien er so jammervoll. Und ohne roten Faden. Und sehr persönlich.

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    5. Macht insbesondere Letzteres nicht das Bloggen aus?

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    6. Ich lese selbst gerne persönliche Texte (tikerscherk, Candy Bukowski), vor allem, wenn sie gut geschrieben sind. Meistens beschränke ich mich auf Cheffe, wenn ich persönlich werde. Aber so richtig persönlich persönlich schreibe ich selten. Sind ja eher Glossen, möglichst heiter. Ich hadere immer damit, zuviel preiszugeben.

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  2. Der Text macht Spaß beim lesen. Geht fast schon ein bißchen in Richtung Glumm. ;-)

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  3. Immer wieder schön deinen Blog zu lesen...

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