Dienstag, 26. Juli 2016

Wenn sich Männer neu erfinden

Eine sehr enge Freundin ist mit ihrem relativ neuen Freund in den Urlaub gefahren. Ich habe ihn drei-, viermal gesehen und kenne nur seinen Vornamen. Bei ihrer Abfahrt wurde mir nicht nur ihr Wohnungsschlüssel überlassen, sondern auch seiner, mit der Bitte, ab und an seinen Briefkasten zu leeren.

Heute erreichte mich eine sms, ob ich wohl zu seiner Wohnung fahren könnte, um einen Eintrag aus seinem Kalender zu fotografieren, er müsse noch dringend einen Termin verschieben.

Ich fuhr los und stand dann vor einer imposanten Villa. Ich schloss das Gartentor auf, was eine gelinde Untertreibung ist, denn eigentlich betrat ich Fort Knox. Dann waren da mehrere Türen, aber an keiner standen Namen. Ich klingelte an der nächstbesten Haustür, nachdem ich gemerkt hatte, dass der Schlüssel dort nicht reinpasst.

Eine ältere Dame öffnete mir und blaffte mich mit angstgeweiteten Augen an, wie ich auf das Grundstück gekommen bin. "Na, mit dem Schlüssel hier."

Dann erklärte ich ihr mein Ansinnen und ob sie mir zeigen könne, welche der Haustüren zu Fabian S. gehöre. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen und triumphierend ätzte sie:

"Ich kenne keinen Fabian S. Ich kenne einen Herrn S, aber der heißt nicht Fabian."

Grundgütiger, sollte meine Freundin einem üblen Heiratsschwindler mit mehreren Identitäten aufgesessen sein? 

"Doch, der heißt Fabian. Ich kenne ihn doch."

Schneidend: "Er heißt nicht Fabian. Wer sind Sie eigentlich und was wollen Sie?"

"Das habe ich Ihnen doch eben erklärt. Er ist übrigens mit meiner Freundin an die Ostsee gefahren."

"Er ist zwar an die Ostsee gefahren, aber zu seinem Bruder, um sich zu erhohlen."

"Ja, genau, mit meiner Freundin."

"Nein, er ist zu seinem Bruder gefahren."

"Hörn Sie, ich ruf sie jetzt an und dann steht er bestimmt neben ihr und ich gebe Ihnen dann das Telefon."

Ich rufe meine Freundin an.

"Du, ich steh hier vor der Tür und man will mir nicht sagen, welche Tür zu Fabians Wohnung gehört, weil Fabian gar nicht Fabian heißt, wusstest du das schon?"

Sie lacht. "Ja, er heißt Kurt-Fabian."

Ich wiederhole. "Ach so. Kurt-Fabian? Kannst du ihn mir mal geben?"

Die Dame entspannt sich, aber auf eine unmerkliche Art.

"Ach, er ist gerade mit seinem Bruder spazieren?"

Madame zieht die Zügel wieder an. Ich bin und bleibe eine Bedrohung.

"Ja, und seine Tür ist die dritte auf der rechten Seite."

"Sprich du doch noch mal mit der Dame, ich gebe sie dir."

Ein längeres Gespräch entspinnt sich. Sie ist der Meinung, dass sie nun mit der Schwägerin von ihm spricht, eine Freundin im Leben von Kurt-Fabian geht offenbar über ihre Vorstellungskraft.

Sie gibt mir den Hörer zurück. Ich bedanke mich und lege auf, will mich verabschieden, aber für die Dame bin ich immer noch eine potentielle Gefahr. 

Als ich losgehe, um endlich seine Wohnung zu betreten, folgt sie mir energisch und dann stehen wir beide in Kurt-Fabians Wohnung. Ich suche auf seinem Schreibtisch nach der Unterlage und fotografiere den gewünschten Kalendereintrag. 

Ich komme mir vor wie auf der Glienicker Brücke. Sie steht misstrauisch ein paar Meter von mir entfernt und beobachtet meine geheimdienstliche Tätigkeit. Wahrscheinlich denkt sie, ich trage unter dem Sommerkleid einen Bombengürtel, dabei muss ich doch nur 10 Kilo abnehmen. 

Wieder draußen sagt sie, es passiere soviel in letzter Zeit, man weiß nicht, wem man trauen könne, ich solle ihr das nicht übelnehmen, sie müsse aufpassen. Dann will sie noch meine Handynummer und die Nummer, die ich gerade angerufen habe. Ich sage: "Gerne, haben Sie einen Kugelschreiber? Ich hab nichts dabei."

"Das ist doch auch wieder so ein Trick. Sie schicken mich nach einem Kugelschreiber und dann überfallen Sie mich."

"Aber Sie haben doch nach den Telefonnummern gefragt. Und ich werde wirklich niemanden überfallen."

Sie verschwindet in ihrer Wohnung, ruft zur Sicherheit die Polizei, um mich mit einem finalen Rettungsschuss dingfest zu machen kommt mit einem Filzstift zurück, dann schreibe ich ihr die Nummern auf.

"Jetzt noch eine letzte Bitte. Sagen Sie Herrn S., dass er mich noch mal anruft, um mir zu bestätigen, dass alles rechtens ist."

"Aber ja."

Sie begleitet mich bis zum Gartentor und schließt es hinter mir ab. Sicher ist sicher. Hoffentlich ruft Kurtchen bald an, nicht dass sie noch den Innenminister aus New York zurückbeordert.

9 Kommentare:

  1. Keine Villa der Welt wäre es mir wert, unter solch enger nachbarschaftlicher Aufsicht zu leben! :D
    Gruselig trifft es nichtmal im Ansatz ...

    AntwortenLöschen
  2. Sie sind überall.Und sie kommen aus dem Weltraum. Ganz bestimmt.

    AntwortenLöschen
  3. Und deshalb will ich lieber in einer WG wohnen.
    Alleine wird man komisch.
    LG Sabine

    AntwortenLöschen
  4. Um Gottes Willen! Aber da braucht deine Freundin wenigstens keine Sorge haben, dass Kurt mal nen One Night Stand mit nach Hause nimmt!!
    LG Anja

    AntwortenLöschen
  5. Vielleicht war sie selber mal beim Geheimdienst? Who knows ^_^

    AntwortenLöschen