Donnerstag, 30. Juli 2015

Duschen vor Publikum

Das fast leere Freibad füllt sich kurz vor Toresschluss mit Eltern und Kindern. Die Eltern bleiben angezogen sitzen und sehen der Bademeisterin dabei zu, wie sie den lieben Kleinen im Kasernenhofton schwimmen beibringt. 

Während die brüsk gebrüllten Befehle des gerade noch so als weiblich auszumachenden Drill Instructors über das Wasser wehen, denke ich darüber nach, ob meine Eltern am Beckenrand saßen, als mir das schwimmen beigebracht wurde. Nee, saßen sie nicht. Aber wo waren sie eigentlich? Haben sie mich hingebracht und wieder abgeholt? Musste ich allein hinlaufen? Ich tippe auf letzteres. Was ich alles schon überlebt habe!

Verweichlicht werden die Kleinen jedenfalls nicht. Sie werden in einer Tour angebrüllt. "Schneller, schneller. Ist mir sowas von egal, dass du nicht mehr kannst, guck mal, wo die anderen schon sind. Aber zackig jetzt." Die Eltern schauen dröge zu. Einige laufen neben der Bademeisterin her, wagen zwar keinen offenen  Widerstand gegen das zweifelhafte pädagogische Geschick des Brüllaffen, pardon, der Brülläffin, wollen vielleicht durch räumliche Nähe die Schärfe aus dem Geschrei nehmen.

Wenn Kinder etwas lernen sollen, dann hilft es wenig, sie permanent anzuschreien. Das sollte sich inzwischen rumgesprochen haben. Immerhin können sie nicht schwimmen, müssen aber ins tiefe Wasser, angetan mit allerlei Equipment gegen das absaufen - allein das eine anzuerkennende Herausforderung. Plus Bademeisterin mit unbefriedigten Allmachtsphantasien - tja, da habe ich großes Verständnis für Gegreine.

Eine Mutter fühlt sich ermuntert, in das Gekeife einzustimmen. Ihr Kind benehme sich unmöglich, weil es sich keine Mühe gebe. So so. Ich schwimme gegen meine Gewaltphantasien an.

In der Dusche bin ich allein bis die Tür aufgeht; fünf Kinder samt Mütter kommen rein. Die Mütter bleiben vollständig bekleidet in der Dusche stehen und schauen zu, wie ihre Kinder duschen. Und wie ich dusche. 

Geht's noch? Sind die bekloppt? Macht man das jetzt so? Nicht dass die Shampoo dabei hatten. Keine einzige. Offenbar reicht es, wenn Kinder in Badesachen unter fließendes Wasser gestellt werden. Keine Ahnung, so gut kenne ich mich da auch wieder nicht aus. Vielleicht schadet Shampoo ja auch, wer weiß das schon. Es war also keine Hilfestellung nötig. Duschen können auch Vierjährige, oder ist das gefährlich? Kann man als Mutter eigentlich auch nebenan in der Umkleide warten. Muss man nicht mit Rucksack, Handy und Straßenschuhen IN DER Dusche stehen. Sollte machbar sein. Also, ich würde das Risiko eingehen.

Ich träum ja manchmal sowas: als einzige nackt unter lauter angezogenen Menschen. Nicht schön. Im realen Leben wird's nicht besser.

6 Kommentare:

  1. Dieser Kontrollwahn und die Angst vor dem Kontrollverlust irgend eines Lebensaspekts ist wirklich inzwischen stark neurotisch. Die Prenzleltern sind daher genau solche Sicherheitsfanatiker, wie sie sie in Gesprächen kritisieren. Von Freiheit ist in deren Lebensgestaltung keine Spur.

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  2. Nassspritzen wär gut gewesen

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  3. Soso - nackt im Traum: die typische seelische Entblößung :-)
    Das mit den Eltern wird immer schlimmer - hier haben wir oft mehr Eltern auf dem Spielplatz als Kinder. Und wenn meine kleine Nummer 6 mal wo runter faellt und ich kaum hinschaue, rennen schon 3 aufgeregte Muetter und 2 kreischende Grossmuetter hin um die Kleine zu retten...

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    1. Bei Stücker Sieben empfiehlt sich Gelassenheit ;)

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    2. .. und ich ahnungsloser dachte immer, schulschwimmen in der 4a wäre der grösste horror gewesen, wenn man noch nicht schwimmen konnte. Jeden zweiten donnerstag, wenn der reisebus vor der grundschule stand und uns zur badeanstalt birker straße brachte, hatte ich die badehose schon drunter, damit ich mich nicht extra noch umziehen musste. Schlimmer war nur der schulzahnarzt, wenn der kam und in meinen kariesmund guckte. Und am schlimmsten: erst der schulzahnarzt, um acht, und dann um zehn zum schulschwimmen - da hatte ich den eierlikör aber auf.

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    3. Ich weiß gar nicht, was ohne den Schulaugenarzt aus mir geworden wäre. Der stellte endlich fest, dass ich blind wie ein Maulwurf bin. Meine Mutter glaubte mir nicht, dass ich viel besser gucken kann, wenn ich ihre Brille auf habe. Damals wurde Kindern ja einfach nichts geglaubt.

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