Montag, 27. Juli 2015

Nackte Väter, DDR-Superstars und unpassende Kleidung

Rein modetechnisch war der Urlaub ein Desaster. Das lag an Petrus, der leider schizophren geworden ist. In all den Jahren gab es eine Wettergarantie: 30 Grad mit einer frischen Brise. Ich packte also zwei, drei dünne Kleidchen ein, Flip Flops und was kuscheliges für Abends. Ich wollte alle übertreffen mit meinem hauchdünnen Gepäck. Fataler Fehler. Weniger ist eben weniger.

Auf der Insel kann man nichts kaufen, dafür ist sie bekannt, also ihre Ureinwohner sind bekannt dafür, dass sie bis an die Schmerzgrenze desinteressiert sind, etwas anderes als gestreifte Seemannskleidung zu veräußern, zu lächerlich astronomischen Preisen und mit aller gebotenen Unfreundlichkeit. Hiddensee halt.

Mit den kuscheligen, absolut nicht tagestauglichen Klamotten besuchte ich ein Hafenfest mit früher in der DDR weltbekannten Bands. Ich fühlte mich unwohl, weil der Sänger lange Haare hatte - was mich zu sinnlosem Schmachten verurteilte, da ich derart unangemessen gekleidet unmöglich Groupie werden konnte.

Zu meinem Glück und zur Wiedererlangung meines Seelenfriedens konnte oder wollte er seine ausgeprägte narzisstische Störung nicht länger als drei Minuten verbergen. Schon seine expressive Körpersprache vermittelte, dass er sich für Gottes Geschenk an die Menschheit hielt oder zumindest für ein Mitglied der Band Silly.

Als sich ein Fan der ersten Stunde so traulich wie mutig neben den Sänger auf den Bühnenrand setzte, den dieser ebenfalls aufgesucht hatte zwecks Darbietung eines weiteren tiefempfundenen Mundharmonika-Solos, brüllte er ins Mikrofon "Verpiss dich", anstatt froh zu sein, dass überhaupt noch jemand seine Nähe sucht. 

Die Mauer steht ja nun seit geraumer Zeit nicht mehr und es sollte einem doch wohl zu denken geben, dass man sich auf  lokalen Hafenfesten die Bühne mit einer Band teilen muss, deren Sängerin in schwarz-weiß-getreiften Hosen Bonnie Tyler Hits zum Besten gibt. Ich zog meine linke Augenbraue hoch und befand, dass schwarzes Fleece eigentlich schon overdressed ist. Haare hin, Haare her. 

Zurück zum Wetter: bis auf Schnee war alles dabei. Astreine Stürme. Badeverbot. Wolkengüsse biblischen Ausmaßes. An sonnigen Tagen klares Wasser ohne Quallen. Heiße Tage kosteten wir bis zur Neige aus, wir wussten ja, so geht's nicht weiter. Wir schätzten diese Tage ganz anders als früher. Jedes Mal, wenn die Sonne schien, rasten wir ans Meer um bloß nichts zu verpassen. In der Ferne formierte sich stets das nächste Unwetter.

Was noch? Das Publikum hat sich verjüngt. Teilten wir uns vor kurzem noch den Strand mit Ingeborg und Juliane, bevölkern die Bühne heutzutage Prenzlauer Berg Muttis mit fussel-vollbärtigen Vätern, die ihre Wollmützen auch bei 30 Grad am Strand tragen. Kinder die Albert, Wilma oder Melody heißen.

Ich weiß nicht, was mit diesen Eltern los ist. Vollbeschäftigung haben diese Kinder. Vielleicht um von ihren Namen abzulenken. Meiner Erinnerung nach habe ich mit anderen Kindern gespielt. Unsere Eltern nutzten jede Gelegenheit, sich von uns zu separieren. Es gab Kinderzimmer, Kindertische, Kinderlandverschickung nach Neuwerk und keiner unserer Väter wäre je auf die Idee gekommen, mit einer Horde Kleinkinder auf fremde pubertierende Jugendliche loszugehen und dabei zu rufen "Das ist ein Tiger, ihr müsst ihn orange anmalen!", worauf die lieben Kleinen um unser mitgereistes schlechtgelauntes Kind herumsprangen und es 'orange anmalten'. 

Natürlich taten sie nur so, aber der Vater hockte so nackt wie manisch begeistert neben uns und feuerte die Brut an. "Sooo, und jetzt bin ich ein Einhorn, ihr müsst mich jaaagen! Sagt Tschüss zum Tiger!"

Auf der Rückfahrt mit der Fähre nach Schaprode, saß eine Rama-Familie in unmittelbarer Nähe. Ich stuppste die Zebra Mutter an. "Schau mal, wie glücklich die sind. Der ist so verliebt in sie, trotz der schon ziemlich großen Kinder, erstaunlich, oder?" - "Ja, wirklich zum kotzen." - "Es sind bestimmt keine gemeinsamen Kinder, so oft, wie er sie küsst." 

Die Kinder flüchteten vor den knutschenden Eltern. "Guck mal, eigentlich küsst er nur sie. Sie guckt die ganze Zeit angestrengt aufs Meer." - "Stimmt, sieht fast aus, als ob sie gleich ins Wasser springt." - "Du, das ist kein Mann, das ist 'ne Schlingpflanze."

8 Kommentare:

  1. Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben!

    Ehrlich? So ein Unsympath ist der Haßbecker? Nun ja.. vielleicht weil er bei der Loos, anders als bei der Danz, nicht landen kann, für die ist Silly ja eh nur ein Hobby. ;)

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    1. Nee, es handelt sich - glaube ich - um Sohnemann Joe Raschke.

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    2. hm... das wär dann aber Karussel, nicht Silly..
      Oder steh ich bloß irgendwie auf der Leitung?

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    3. Stehste :)
      Es war Karussel. Hab ich doch verlinkt.

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    4. Ahhh, jetzt versteh ich auch den Witz... ;D

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  2. Danke für die Info, war Hiddensee bisher schon zu langweilig für mich, meidet man es jetzt aufgrund der neurotischen Prenzleltern. Ich glaube auch, das sind Eltern, die selbst keine Lust aufeinander haben. Wenn man sich anschaut, wie anstrengend und egoman schon die zeitgeistigen Frauen und Männer sind, alles fehlerhaft migränehaft versuchen überzuanalysieren, dann versteht man, dass sie mehr Lust haben mit den Kindern zu spielen, als mit der/ dem Partner-in. Leider werden die Kinder dann schon früh genauso neurotisch wie sie, anstatt sich freiheitlich auszuleben und eigene Hobbys und Lösungen zu finden.

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    1. Das Langweilige ist ja das Gute an Hiddensee. Es gibt nichts zu tun, nichts zu sehen außer Landschaft und - wie schon gesagt - nichts zu kaufen. W-Lan gibt es in den Ferienhäusern auch nicht. Die halten stur an ihrem Konzept fest. Ich find das gut. Warum weiß ich nicht. Wahrscheinlich das Pferdegetrappel. Kein brausender Verkehrslärm. Nur brausender Wind.
      Naja, die Prenzlauer Berg Schickeria wird sich bestimmt was Neues suchen. Oder auch nicht.

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  3. Ein alter Berliner Hausmeister, der die östliche Innenstadt schon Jahrzehnte länger kennt, als die Zugereisten, sagte mal, das sind alles Buffkes: http://www.sprachnudel.de/woerterbuch/buffke

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