Dienstag, 16. Februar 2016

Die begabte Auftragsmörderin

Die Auftragsmörderin ist im Doppelkopf-Fieber, ich erkenne sie kaum wieder. In dieser zartgliedrigen Person stecken einerseits abseitige Phantasien, die sie für teuer Geld verkauft und die man nicht im entferntesten bei ihr vermuten würde, wenn man in ihre Reh-Augen schaut. Sie wirkt stets sanftmütig und anmutig. 

Aber sie hat das Killer-Gen, jedenfalls beim schreiben und beim Doppelkopf. Mittlerweile schleppt sie mich in veräucherte Kneipen in Kreuzberg, da spielen wir mit wildfremden Menschen - also, sie macht das und deshalb sind sie ihr nicht mehr fremd, aber ich war heute das erste Mal dabei.

Verschärfte Version: mit sechs Spielern. D.h. drei Kreuz-Damen, drei Herz-Zehnen und so weiter. Das ist viel schwieriger als zu viert zu spielen. Da muss man kognitiv up to date sein. Da ist es von Nachteil, ein löchriges Kurzzeitgedächtnis zu haben. Meine Gedächtnisleistungen werden vollständig vom Büro absorbiert. Am Ende des Spiels wusste ich oft schon nicht mehr, mit wem ich eigentlich zusammenspiele; immer wenn ich es endlich begriffen hatte, war ich so durcheinander von all den vielen Karten bei jedem Stich, dass ich ein wenig die Orientierung verlor.

Zudem waren heute zwei Männer dabei, die eigentlich lebende Rechenzentren mit fotografischem Gedächtnis sind. Inselbegabungen halt. Der eine spielt sogar online und ist tödlich genervt von den Trollen, die sein Blatt zerschießen. Und Männer wollen ja immer, IMMER gewinnen. Während ich nur spielen will. Mir ist völlig schnurz, ob ich verliere. Deshalb spiele ich oft auf Risiko und komme sogar meistens damit durch. Heute nicht.

Das Rechenzentrum bemeckert sogar noch fehlerhafte Spielzüge, wenn er haushoch gewonnen hat. Es gibt solche Leute. Die hassen mich. Kann man nix machen. Gottseidank findet mich der Hund noch gut.

Aber die Auftragsmörderin sitzt ganz ruhig am Tisch, man hört keinen Pieps von ihr und spielt alles in Grund und Boden. Sie merkt sich alles und während das Rechenzentrum neben mir schon ermahnt wird, weil er so oft stöhnt über meine zu kurz gedachten Spielzüge und mich nach jedem Spiel streng fragt, weshalb ich die Dulle gespielt habe, obwohl wir doch schon drüber waren und ich antworte, aber bei drei Dullen im Spiel bin ich doch froh, wenn ich eine nach Hause bekomme, lächelt sie mich geduldig an und sagt "Alles gut, meine Liebe."

Das Killer-Gen gepaart mit Empathie und Großmut. Ein Fieber, das von außen nicht zu sehen ist. Ich nehme an, die nächsten Jahre werden wir uns in allen Seplunken dieser Stadt herumtreiben und dann baut sie die berüchtigte DoKo-Mafia im nächsten Tatort ein. Mal sehen, wer mich spielt.

2 Kommentare:

  1. Wir haben früher monatelange Listen geführt beim DoKo, aber zu sechst zu spielen, das ist mir neu.

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    1. Mir ist das auch neu, glaub mir. Geht nur, wenn der IQ über 130 liegt. Meiner war gestern gefühlt bei 60.

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