Mittwoch, 6. Dezember 2017

Weihnachten

War früher alles besser? Doch, schon. 

Ich kann mich an Uhu-Duft erinnern, wenn wir aus Goldpapier Kreise schnitten, halbierten und zu Tütchen zusammenklebten, um am Ende daraus eine große Kugel zusammenzukleistern. Oder wie wir auf dem See Schlittschuh gelaufen sind, mit gestrickten Bommelmützen. Wie ich am Küchenfenster klebte, in den dunklen Himmel sah und mir schwindelig wurde von dem Schneegestöber draußen. Damals lag immer meterhoher Schnee und die begabteren Kinder bauten Iglus; naja, sowas ähnliches jedenfalls.




Wie einmal meine Oma mütterlichseits für jedes ihrer sieben Enkelkinder eine Decke gehäkelt hat, die man übers Bett legen konnte; das muss sie letztendlich so früh ins Grab gebracht haben, denn keins von uns Kindern würdigte angemessen, welch liebevolle Fleißarbeit sie vollbracht hat. Erst im letzten Sommer habe ich meine Decke mit nach Berlin geschleppt und siehe da, meine Freundin von gegenüber erkannte fachmännisch "Nimmt die Farbe vom Sofa auf."




Wie ich meiner anderen Oma begeistert meinen ersten Cassettenrekorder vorführen wollte, aber leider die Leercassette eingepackt hatte und nicht die mit 'Roy Black und Anita, womit ich sie ehrlich gesagt bbeindrucken wollte, wegen meines schockierend modischen Musikgeschmacks, den ich zugegeben erst Stunden zuvor kritiklos von meinen Eltern übernommen hatte, denn sie hatten mir das Machwerk ja geschenkt. Damals gab es Rolf Zukowski noch nicht und wer weiß, wozu es gut war.

Wie es bei meinen Großeltern noch den Kindertisch gab, an denen meine Schwestern und Cousins saßen, im Nebenzimmer natürlich, damit wir nicht störten. Kinder wurden von Erwachsenen
getrennt gehalten. Hatte man als Kind ja auch irgendwie seine Ruhe. Was die sich heutzutage schon alles anhören müssen, weil sie überall dabei sein dürfen müssen.

Wie Heiligabend der einzige Tag im Jahr war, an dem traditionell die Glotze ausblieb (mein Vater war begeistert besessen vom Fernseher, zum Leidwesen meiner Mutter. Und zu meinem, denn ich durfte nie Raumschiff Enterprise gucken, wegen der Sportschau. Oberste Direktive). 


Wie meine Schwester sich eine Ohrfeige einfing, weil sie zum Opa, der an der Kaninchenkeule nagte, schnippisch sagte "Kannst ja gleich auf den Friedhof gehen und die Knochen ablutschen". Wie ich meine erste und letzte Sofortbildkamera bekam, auf deren Film aber nur 10 Fotos waren und es dabei blieb, weil die Filme ein Vermögen kosteten. Die zehn Fotos gibt es heute noch.

Wie ich einmal einen ganz tollen Sessel für mein Zimmer geschenkt bekam, ich mich aber am allermeisten über einen Notizblock gefreut habe. Er war aus braunem, geriffelten Papier und auf jeder Seite stand in dicken Lettern "Notes". Hypermodern. Ich hatte ihn jahrelang, denn ich benutzte ihn sehr sparsam. 


Später dann, als ich stundenlang im Stau stand, um Weihnachten nach Hause zu fahren. 'Driving home for Christmas', höre ich heute noch gerne. Als mein damaliger Freund und ich am 23.12. im tiefsten Schnee bei Magdeburg liegen blieben und ein freundlicher Berliner uns bis nach Helmstedt abschleppte; es war eine ganz helle Nacht, das ist ja das Gute an meterhohem Schnee. Seitdem hatte ich immer eine Decke im Auto.


Noch viel später luden die Graue Eminenz und ich das erste Mal unsere Sippen zu uns ein, er schleppte einen Weihnachtsbaum an, den er mit meiner Nichte schmückte und ich war plötzlich im Rama-Familienland, wobei es hinter den Kulissen nicht ganz so harmonierte, wie wir uns den Anschein gaben. 

Sein Vater textete uns zu, jeder vermied angestrengt Blickkontakt mit ihm, weil man sonst auf Stunden verloren war und als die Eminenz irgendwann die Contenance verlor "Vadda, da könnteste auch erzählen, dass in Goslar n'Aldi aufgemacht hat" und zur Antwort bekam "Ach, in Goslar gibt's'n Aldi? Wo denn da?"

Als wir das erste Mal bei seinen Eltern gefeiert haben und mir ein Fotoalbum in die Hand gedrückt wurde und ich irgendwann beim umblättern aufschrie, weil die tote Ur-Omma im Bett lag. Sie starb beim Mittagsschlaf und das wurde halt dokumentiert, von links, von rechts und vom Fußende. Und ich Zimperliese hatte auf Wochen Alpträume. Wie wir noch Jahre später Lachkrämpfe bekamen, wenn wir das erzählten.

Doch... Weihnachten hatte seine Momente.

3 Kommentare:

  1. Die graue Eminenz schmückte den Weihnachtsbaum mit deiner Nichte?
    Wie lange musste sie denn da hängen, die Arme?

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  2. Ich erinnere mich an ein Weihnachten.....mein älterer Bruder (9 Jahre um genau zu sein ist er älter) und ich mussten vor der Wohnzimmertüre warten, bis meine Mutter mit einem Glöckchen läutete und wir endlich den geschmückten Baum und die Geschenke bewundern durften. Jedenfalls hat mich mein großer Bruder ewig geärgert und es endete damit, dass ich noch vor der Beschwerung in Tränen ausbrach und heulte, was das Zeug hielt......

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    1. Größere Brüder sind also nicht per se ein Segen. Früher hatte ich mir immer einen gewünscht.

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