Dienstag, 28. August 2018

Wie ich mir für Sven Regener den Hintern abgefroren habe

Kiepenheuer & Witsch Sommerfest im Literarischen Colloquium. Da bin ich natürlich dabei. Zum einen, weil die Auftragsmörderin dort liest und zum anderen ist Sven Regener auch da. Neben zig anderen Autoren, die ich auch ein bisschen anbete. Vieles, was Rang und Namen hat, versammelt am Wannsee an einem Sommerabend, der sich zwar als Vorgeschmack auf einen stürmischen Herbst entpuppt, aber was tut man nicht alles für die Kunst. 

Die Anneliese Rothenberger der Haarkunst - Frank Schätzing - ist auch vor Ort und hat in Wirklichkeit gar nicht so viele Haare. Ich glaube, der sprüht sich Kunsthaare oben druff, wenn er ins Fernsehen muss. Zufrieden wie ein frisch gestilltes Baby saß er in der Gegend rum und machte kein Aufhebens um sich. Das nahm ihn für mich ein, wenn ich auch kein Buch von ihm gelesen habe, weil ich der Spiegel-Bestsellerliste grundsätzlich nicht über den Weg traue. Ich hatte mal ein Versuch gestartet mit "Der Schwarm", aber über 100 Seiten bin ich nicht hinausgekommen. Allein, dass Wale, die immer wieder an den selben Ort kommen (oder womöglich immer am selben Ort bleiben, so genau erinnere ich das nicht mehr), jedenfalls, dass diese Wale "Residents" genannt werden, habe ich mir gemerkt. Das erinnerte mich irgendwie an die Hells Angels. Die haben doch auch so innovative Funktionsbezeichungen. Prospect, Hangaround, Supporter und ganz besonders durchgeknallt: Sergeant of Arms. Toll.

Anyway, nicht nur, dass es sehr stürmisch war, es regnete auch häufig. Deshalb fielen die Lesungen draußen ins Wasser und alles quetschte sich in das beeindruckende Haus, ach was sage ich, in die Villa oder ist das schon ein Gutshaus oder ein Palais? 

Jedem Autoren und jeder Autorin wurde eine verliebt agierende Lektorin zur Seite gesetzt, was dann Interviews ergab, die eher an Ergebenheitsadressen erinnerten. Aber ich kann das verstehen. Wenn man schon mit knapp unter oder über 30 Jahren ein Schwergewicht der Literaturszene verbessern darf, dann würde ich das auch einen richtig geilen Job nennen und nur noch strahlen. Man kommt sich bestimmt näher und ist sich zugetan. Ich beneide auch immer die Auftragsmörderin, wenn sie von "ihrer" Lektorin spricht. "Schau mal, da drüben, die blonde Frau da, die war meine erste Lektorin." Lektorinnen sind alle blond. So gesehen wäre das auch der passende Job für mich. 

Obwohl ich auch gerne Synchronsprecherin wäre, spätestens als Christian Brückner an uns vorbeiläuft, den aber nur ich erkenne und als ich die anderen darauf aufmerksam mache, dass eben die deutsche Stimme von Robert de Niro an uns vorbeigelaufen ist, hören die Entzückensschreie überhaupt nicht mehr auf. Wir zählen unsere Lieblingssynchronstimmen auf und ich denke wieder, geiler Job. Wär was für mich.

Als es sonniger wird, verweilen wir eine ganze Weile direkt unten am Wasser und hören die Lesungen von mir gänzlich unbekannten Autorinnen, die aber sensationell gut schreiben, zum Beispiel diese hier

Dass ich sie nicht kenne, liegt nur an mir, ich bin wohl nicht mehr auf der Höhe der Zeit, seitdem ich die Verlagsbranche verlassen habe, um einen inzwischen gänzlich ungeliebten und zuschanden umstrukturierten Job mit einer Mischung aus Frust und Resignation, was wohl dasselbe ist, mit halbwegs Leben zu füllen. Was mir von Tag zu Tag weniger gelingt, aber das ist ein anderes Thema.

Oben am Haus stehen sich die Leute die Beine in den Bauch, um Maxim Biller und Karen Duve zu lauschen, was ich verpasse, weil ich lieber sitze und was ich mir später nicht verzeihe, vor allem wegen Karen Duve, die ich nur jedem empfehlen kann. Sie soll toll gewesen sein, was zweifellos stimmt.

Burkhard Klausener, dem Jörg Thadeusz zur Seite sitzt, verpasse ich auch und damit habe ich eigentlich schon jeden und jede verpasst, die ich un-be-dingt hören wollte, aber ich schwor mir, Sven Regener würe ich mich zu Füßen werfen, komme, was wolle. Ich bekam dann auch direkt einen Sitzplatz auf der sturmumtosten Terasse, weil nach Klausener und Thadeusz alle schnell nach drinnen flüchteten und da blieb ich sitzen, obwohl erst noch eine andere selbstverliebte Autorin mit einer weiteren schwerverliebten, blonden Lektorin dran war, aber diesen Sitzplatz würde mir niemand mehr streitig machen, so wahr mir Gott helfe.

Als Regener dann endlich kam, mit einem der Bosse von KiWi, war ich schon so durchgefroren, dass ich dachte, Oha, das wird hart jetzt, aber für Svenni mache ich das. Ich hielt fünf Minuten durch, denn das Gelobhudel vom Verlagsboss, von Regener vollkommen reglos retourniert (er gab den Prinz von Homburg), was ich auch einehmend fand, weil ich ja schlechtgelaunte Männer immer besonders reizvoll finde, jedenfalls das Gehuddel und die Kälte, ich bekam schon Halsschmerzen, ich gab auf und rettete mich nach drinnen, da wurde seine Lesung übertragen und ich kann euch sagen, besser und mitreißender hat noch nie jemand gelesen. Dann dachte ich, Sven Regener zu sein, muss auch ein guter Job sein.

10 Kommentare:

  1. Klingt nach einem interessanten Erlebnis.

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  2. Christian Brückmann???

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  3. hach, weder wusste ich, dass der sänger von element-dingens schreibt, noch dass es einen film darüber gibt - wie meinem kollegen noch einfiel...jedenfalls haben wir beide - kollege und ich- was neues auf der todo liste, ich einen tipp, was ich ihm weihnachten schenken könnte - die lehmann trilogie vielleicht und eine neue autorin, die ihren büchern komische titelnamen gibt..
    vielen dank, und wieder haben wir im hohen norden wieder was mitgenommen! what a day...und den prinzen von homburg kannte ich auch nicht, bytheway

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    1. Der Prinz von Homburg ist der Knaller, oder?
      An den Büchern wirst du Spaß haben, da bin ich mir sicher. Oder dein Kollege, den du beschenken willst.

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  4. Ich muss zugeben, dass es mich bis auf bei einer Person, nie interessiert hat, wer hinter den Büchern stand.

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  5. Glauben Sie mir, die der "Schwarm" nimmt ab Seite 101 Fahrt auf! Kein Scherz; die ersten 100 Seiten werden gebraucht, um dem Leser die Charaktere vorzustellen.
    Mich hat allerdings das Ende bzw. die Auflösugn des Ganzen enttäuscht, da hätte ich mir "handfesteres" gewünscht.

    Und meine* Lektorin ist dunkelhaarig.

    *zwar nur Verwandtschaft, aber Lektorin!
    :-)

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