Mittwoch, 14. November 2018

Die stille Revolution

Die Stille Revolution - Trailer

Der Upstaalsboom-Weg 

Vortrag Bodo Jansen

Durch eine Freundin bekam ich den Hinweis, dass es eine Veranstaltung gibt, auf der es um Führung geht. Ein Film sollte gezeigt werden, anschließend eine Diskussion. 

Ich setzte mich in den Kinsosessel, der Platz neben mir war noch frei. Und dann fing der Film an. Es wurde sehr still um mich herum und recht schnell auch in mir.

Ein Manager macht eine Mitarbeiterumfrage und erfährt, dass er von seinen Vasallen als komplett überflüssig eingeschätzt wird. Das schockiert ihn und er versucht, neue Wege zu gehen. Davon handelt der Film.

Nach 20 Minuten erschrak ich mich zu Tode, weil sich ein Mann über mich beugte, ob der Platz neben mir noch frei sei. Er setzte sich hin und schien nach kurzer Zeit ebenso ergriffen, wie ich es schon war. Ich kann nicht festmachen, woran ich das gemerkt hatte, denn er saß still und stumm neben mir, aber das ganze Kino schien berührt.

War so etwas wirklich möglich? Gibt es solche Manager auch in echt? Die wirklich wollen, dass es ihren MitarbeiterInnen gut geht, dass sie einen Sinn sehen, in dem was sie tun und dass sie Wertschätzung erfahren? Die wirklich selbstreflektiert sind?

Ich erinnerte mich, dass ich das Glück hatte, 18 Jahre in einem solchen Unternehmen zu arbeiten und ich war mir schon damals bewusst, dass ich im Paradies bin. Aber ich hatte schon länger nicht mehr daran gedacht, wie es ist, wenn man mit wirklicher Wertschätzung behandelt wird, wenn der Chef die Gewinne mit seinen Mitarbeitern teilt, wenn er freundlich und fürsorglich ist. Was bin ich gerne ins Büro gefahren, damals. 

Wie arbeite ich dagegen heute? Mit unverhohlener Verachtung wird mit und über uns gesprochen. Vollkommen absurde, zweck- und sinnlose Entscheidungen werden getroffen, die keiner mehr versteht. Resignation auf der einen Seite, Mobbing untereinander und hoher Krankenstand auf der anderen Seite. Und das scheint sogar gewünscht. 

Ab und an musste ich ein paar Tränen wegwischen, weil der Druck, unter dem ich arbeite, so deutlich wurde. Ich fragte mich, ob im Publikum auch Chefs sitzen und was die jetzt wohl denken.

Als der Film endete, blieb es lange still. Der Mann neben mir fragte mich vertraulich "Wie lange lief der Film schon, als ich kam?" Ich antwortete "20 Minuten. Sind Sie ein Chef?" Ja, sagte er und stellte sich vor. Dann wurden wir unterbrochen, denn es wurden 8 Stehtische aufgebaut, World Café, hasse ich. Acht Chefs verschiedener großer und kleinerer Berliner Unternehmen als Gastgeber sollten die drei Fragen moderieren, die wir alle am Anfang in die Hände gdrückt bekamen. Für jede Frage 15 Minuten Diskussion und alle 15 Minuetn den Tisch wechseln.

Ich finde nichts so überflüssig wie Worldcafés und wollte mich davor drücken, unauffällig verschwinden. Jetzt mit wildfremden Leuten 45 Minuten reden, keine Lust. Aber dann wurden es die besten Gespräche, die ich in den letzten Wochen geführt habe. Und die 45 Minuten waren entschieden zuwenig.

Die drei Fragen:
1. Was löst der Film "Die stille Revolution" bei mir persönlich aus?
2. Wieviel "Stille Revolution"wünsche ich mir ein meinem Unternehmen?
3. Welche Stolpersteine der "Stillen Revolution" gibt es in meiner Arbeitswelt und wie können diese überwunden werden?

Am Ende Häppchen und Wein. Und niemand hat seine Visitenkarte gezückt, darum ging es ausnahmsweise mal nicht. Sondern nur um Austausch über Ängste, Resignation und Ideen, wie man es ändern könnte, zwischen wildfremden Menschen, die einander sehr nahe kamen für eine Weile. Kein Gespreize, kein "ich bin der und der und komme von dort und dort und da mache ich das und das".

Der ganze Abend eine einzige, unverhoffte Wohltat.

Ich muss jetzt nur meine Chefs überzeugen, sich diesen Film anzusehen.


4 Kommentare:

  1. Wow, in einem solchen Umfeld würde ich auch wahnsinnig werden.
    Ich arbeite selbst in einem kleinen IT Betrieb, allerdings als Partner. Den ganzen von dir geschilderten Wahnsinn haben wir daher nicht. Wenn ich das aber so lese, dann fange ich an zu verstehen, warum der Wahnsinn, der mittlerweile von unseren Kunden auf uns einprasselt, wohl so ist wie er ist. Das sind für mich völlig entkoppelte Systeme, die gar nicht mehr ihren eigentlichen Zweck erfüllen (Produkt erzeugen oder Dienstleistung erbringen), sondern nur noch ihrer inneren eigenen Logik folgen. Ich fürchte ab einer bestimmten Größe von Betrieb erfolgt sowas fast zwangsweise.

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    1. So ist es. Es geht nicht mehr und das Produkt. Es geht darum, dass ein paar da oben pausenlos beweisen müssen, dass sie so unglaublich innovativ sind. Ob das Sinn macht oder überhaupt funktioniert, was er sich da ausdenken, interessiert keinen Menschen mehr. Was das mit den Leuten macht, die das auszuhalten haben, interessiert auch niemanden.
      Ich reisse meine Klappe ziemlich weit auf, Aber mehr, als dass ich als nervige Querulantin identifiziert werde, passiert nicht.

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  2. Ich hab nur den Trailer gesehen - bisher. Klingt sehr interessant und sehr engagiert. Ich hab ja nicht oft den Jub gewechselt - Lehre, Stelle 1 und jetzt die längste 2. Stelle und einen Nebenjob. Die Chefs waren entweder kleine Despoten oder Chaoten oder wie jetzt eigentlich uninteressiert. Das schmerzt genauso. Dem entgegen steht beim Nebenjob eine junge Chefin, eigentlich wirklich sehr nett ist, die aber in letzter Zeit dazu neigt einen Überwachungswahn zu entwickeln. Die hat durch ihren Freund (jetzt Haustechniker bei uns) eine Überwachungskameras installieren lassen, eine steht bei ihr im Büro und überwacht die Rezeption und zeichnet bei Geräuschen auch Gespräche auf. Die sie auch tatsächlich abhört und dann anruft. "Du hast gerade mit der und der gesprochen, da machst du jetzt das und jenes". Die Kollegen WISSEN aber offiziell gar nicht, das jeder ihrer Schritte überwacht wird und das sie das von zu Hause oder von sonstwo übers Handy abrufen kann.
    Ich finde das ungeheuerlich selbst wenn man "nix zu verbergen" hat. Es ist unangenehm zu wissen, dass man beobachtet wird.
    Ich freu mich aber für dich, dass du einen schönen Abend hattest. EInen der sich gelohnt hat, wenn es auch nur das Wissen erstmal ist, man ist nicht allein.
    Ich fürchte wirklich führungsstarke Personen, die ihre Mitarbeiter führen können, wirklich wissen, was die einzelnen tun und was die tägliche Arbeit ist, gibt es immer weniger und am Ende zählt ja doch oft wirklich nur der Profit. Wir hatten hier mal kurzzeitig (okay ein paar Jahre), der das meiste aus dem Betrieb rausgeholt hat um es sich in die eigene Tasche stecken zu können - durch Boni. was er im Betrieb einsparte, bekam er zum Teil als Sonderzuwendung. Das hätte fast dazu geführt, dass wir hätten schließen müssen, weil er alles hat marode und maroder werden lassen. Kurz bevor man uns hätte fallen lassen wie eine heiße Kartoffel entschloss er sich gottlob Bürgermeister zu werden. Er hat dort tatsächlich (Hessen) 2 Wahlperioden überstanden. Was uns hier sehr gewundert hat. Jetzt vor der 3. Amtszeit ist man auch dort aufgewacht und hat jemand anderen gewählt. HOffentlich zieht es ihn nicht wieder ans Wasser...
    Jedenfalls hat dieser Mensch sein tun als das einzig Wahre empfunden. Zudem litt er sehr unter Verfolgungswahn und traute uns allen nicht. Doch wenn ich so drüber nachdenke, hatte ich auch schon sehr egomane Chefs, die sich selbs huldigten und uns Arbeitsbienen verachteten

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    1. Das ist sehr krass, was du da erzählst. Mitarbeiter abhören, ohne deren Wissen? Das ist verboten. Aber, wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn die Mitarbeiter sich nicht trauen, sich dagegen zu wehren, dann können natürlich paranoide Chefs ihr Unwesen treiben. Liebe Hedi, das was du beschreibst, habe ich dann doch noch nicht erlebt. Gottseidank. Hört sich grauenvoll an.

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