Sonntag, 25. Januar 2015

Der Pate von Friedenau


Ich laufe los, weil sitzen weh tut. Irgendwann steige ich in einen Bus ein (das ist das Schöne ohne Auto, wo man geht und steht, kann man einsteigen und aussteigen, eine ganz neue Freiheit ist das).

Ich lasse mich treiben.

Dann fällt mir ein, es ist verkaufsoffener Sonntag, eine gute Gelegenheit, mir einen Schrittzähler zu kaufen. Aber vorher was essen.

Ich setze mich ins Chacaron, direkt gegenüber vom Forum Steglitz, von außen vermutet man eine Geldwäscher-Bude, drinnen bedienen blutjunge, freundliche Kinder Menschen und verkaufen Flammkuchen und selbstgebackenen Kuchen. Ich lebe gerade in der Flammkuchen-Dekade. Trinke wie immer schwarzen Tee dazu. Egal, was ich esse, dazu schwarzen Tee. 

Ein liebgewonnene Tradition aus meiner Zeit mit dem geschwollenen Gewerkschafter mit den geschwollenen Augen: bei ihm zuhause, also bei seinen Eltern, aß ich zum Abendbrot immer ein Leberwurstschnittchen mit schwarzem Tee und natürlich schmeckte es ungleich besser, als bei meinen Eltern. Seine Eltern waren ja auch viel toller als meine Eltern. Seine Mutter fand mich anmutig, jawohl, während meine Mutter nichts dergleichen an mir feststellte.

Ein Platz ist nur direkt an der Tür frei. Ein distinguierter alter Herr fragt, ob er sich an meinen Tisch setzen darf, ich nicke (ich sitze auf einem Barhocker an einem Thekentisch, tut fast nicht weh). Es wird wegen der Tür kalt im Rücken, drum suche ich mir einen anderen Platz. Etwas später stehe auf, geh durch den Laden und hole mir den Spiegel. Der Herr kommt zu meinem Platz "Sie haben sich den Spiegel geholt?" Ich schau ihn verwundert an, "Ja?" - "Kann ich mir dann die Gala nehmen?" - "Aber ja." - "Darf ich mich bedanken?" - "Nicht dafür." Er verbeugt sich leicht und setzt sich wieder still an seinen Platz.

Die Tür geht auf und ein Hüne von Mann, ca. 30, unbestimmter Herkunft, schlägt ihm zur Begrüßung auf die Schulter, sieht sich dabei -Verfolgungswahn im Blick - suchend im Lokal um, fragt ihn hektisch "Hat dich wer dumm angemacht?" Aha, wir sind also in Absurdistan.

Ich frag mich, wer diesen feinen Herrn dumm anmachen sollte? Und weshalb? Und warum vor allem hier? Ist das doch ein Geldwäscheladen? Und der Herr in Wirklichkeit Der-große-Kaiser-Maximus-von-Steglitz-Mitte? Der Typ sein Personenschützer? Es scheint fast so, denn der Alte blättert weiter in der Gala, während der andere stumm neben ihm sitzen bleibt. Ein merkwürdiges Paar.

Als ich gehe, spricht er mich noch mal an "Darf ich Ihnen einen schönen Sonntag wünschen?" Die Fragerei geht mir langsam auf die Nerven. Der bullige Typ mustert mich misstrauisch. Ich seh zu, dass ich vom Acker komme. Nicht, dass ich da in was reingerate und am Ende eine neue Identität an einem sicheren Ort brauche.

Rasch kaufe ich mir noch den Schrittzähler, laufe 3108 Schritte und verbrauche 63 Kalorien. Als Invalidin. Ich glaube, mir ist niemand gefolgt
.

4 Kommentare:

  1. Das war kein distinguierter alter Herr. Das war Manuel Neuer!
    (Ungeschminkt, vermutlich. Daran wirds gelegen haben, dass er nicht erkannt wurde.)

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  2. Manuel Neuer erkenne ich 20 Kilometer gegen den Wind. Das war er nicht.
    Er sah aus wie Peter Weck aus "Ich heirate eine Familie", aber der ist, glaube ich schon tot. Oh Gott, ich kann tote Menschen sehen...

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  3. Poltergeister, tote Menschen.. Annika, ick sorge mir.. ;)

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