Dienstag, 13. Januar 2015

Einmal reicht

Nachdem ich heute Nacht zweimal aus meinem ganz persönlichen Splattermovie aufgewacht und mich beim dritten Mal gezwungen habe, aufzustehen, Licht und Glotze anzumachen, um aus den Klauen einer unerquicklichen REM-Phase zu gelangen, hätte ich mich beim Verlassen der Wohnung immer noch nicht gewundert, wenn ein abgeschnittener Pferdekopf vor der Tür gelegen hätte. Und das mir, die nicht mal Shining gesehen hat, weil schon die Erfahrungsberichte anderer mein Blut gefrieren ließen. Alpträume, zu was sind die eigentlich gut? 

Um meine Nerven zu schonen, lebe ich in einem beschaulichen Teil Berlins. Freundliche Kinder und Jugendliche aller Nationen, selten nervige Erwachsene, von den Busfahrern mal abgesehen, ein hübscher Wald, eine Freundin nennt das Ganze in Ermangelung einer Kindheit im Westen "Bollerbü".

Im Bus bekam die Matrix einen Riss. Ein psychopathisch angehauchter Jugendlicher der dritten Generation auf Tilidin rastete aus, weil er sich angeglotzt fühlte. Binnen Sekunden eskalierte die Situation und er schlug um sich. Der Bus hielt auf freier Strecke an, eine Frau fragte gleichermaßen scharf und ruhig, ob er jetzt aussteigen möchte. Sie wiederholte das mehrmals mit fester Stimme. "Warum soll isch aussteigen, Fotze?" - "Weil hier Kinder sind." Offenbar erreichte sie eine funktionierende Gehirnzelle; rempelnd stieg er aus und trat von außen gegen den Bus. Der Bus fuhr weiter, keiner verlor mehr ein Wort, zivilisierte Leute. Es gibt auch nicht motzende Berliner, die sich würdevoll ihren Teil denken.

"Wie gut", dachte ich, "dass ich heute abend zum Feldenkrais gehe, das wird mich beruhigen." Hab mich spontan mit einer Freundin angemeldet, die mich am Sonntag fragte, ob ich das kenne. 

Und ob ich das kenne. Vor zig Jahren machte ich mal eine Schnupperstunde und werde mir nie erklären können, weshalb mich eine Stunde auf dem Rücken liegen, das linke Bein aufgestellt, den rechten Knöchel auf dem anderen Knie abgelegt und ganz leichtes hin und her Geschaukel in hypnotische Tiefenentspannung versetzte, die noch Stunden anhielt. Ich war nicht mal in der Lage, Piep zu sagen. Was mich nicht gehindert hat, nie wieder dorthin zu gehen. 

Aber heute ab in die VHS. Der Trainer hatte nur einen Arm, bzw. anderthalb und fuchtelte selbstbewusst mit ihm herum, was ich ja gut finde. Kann man sowieso nicht verstecken, warum also den Versuch machen? Ansonsten scheint er viel zu rauchen und zu trinken, oder hat es früher mal getan und zu spät damit aufgehört, als die allgemeine Ramponierung nicht mehr rückgängig zu machen war. Er berlinerte und lispelte stark. Eine ungewöhnliche Besetzung. Sonst machen das ja immer so blutleere Geschöpfe.

Legt euch mal anderthalb Stunden auf den Rücken und rollt das Becken leicht nach oben und wieder nach unten und zwar so leicht, dass man es von außen gar nicht sieht. Meine Bedürfnisse wechselten zwischen "Ich kack dem jetzt auf die Yogamatte" zu "Gleich entbinde ich." und "Würde mir bitte jemand ein Kind machen?" Irgendwann war ich des bescheuerten Rollens müde und schlief ein. Das hatte er zu Beginn der Stunde ausdrücklich erlaubt.

Ich wachte auf, verweigerte meiner Freundin jedes Gespräch und lief energisch nach Hause. Ich glaub, das reicht erst mal wieder für fünf Jahre.



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