Samstag, 24. Januar 2015

Mein erstes Mal



Damals in Niedersachsen war es unter Frauen en vogue, einen Hexenschuss zu erleiden. Ich weiß nicht, wie oft ich meine Mutter, Tanten und Nachbarinnen klagen hörte, dass sie die Hexe geschossen hat. Meine kindliche Phantasie ging mit mir durch (ebenso wie bei dem Satz „Es ist etwas Kleines auf die Welt gekommen“ – weil „die Welt“ für mich auf dem Vordach zum Treppenhaus verortet war, aber niemals ein Baby dort abgelegt wurde); ich sah mich des Öfteren um, ob eine Hexe in der Nähe ist, um mich zu exekutieren. Ich blieb unversehrt.



Bis heute. Ich bückte mich harmlos und mir schoss ein Schmerz in den Rücken, von dem mir kotzübel wurde. Aus der gebückten Haltung kam ich nicht mehr hoch. „Verdammt!“, dachte ich, „man kommt ja wirklich nicht mehr hoch.“ Ich blieb eine Weile so stehen und hechelte den Schmerz weg. Wenn ich mich zufällig über einen schönen Blumenstrauß gebeugt hätte, wäre das eine schöne Gelegenheit zur inneren Einkehr gewesen, aber ich hing über dem Mülleimer. Mir brach der Schweiß aus.



Ich trippelte zum Küchentisch, stützte mich erleichtert ab und beglückwünschte mich zu diesem gelungenen Wochenende, an dessen Ende ich stehend und mumifiziert aufgefunden sein würde, vielleicht auch erst am Dienstag. Nach endlosen Minuten richtete ich mich langsam wieder auf.



Ein paar Stunden sind seitdem vergangen und ich weiß nun die Vorzüge der Somatisierung  zu schätzen: vor dem Knacks war mir so’n bissel oll zumute, denn ich habe heute, am heiligen Samstag, keine Verabredung und da bin ich noch ganz Mädchen geblieben, am Samstag keine Verabredung, dem bin ich nicht gewachsen und werde es nie sein; da hilft auch nicht, dass ich  mich gestern, an meinem ebenso geheiligten Freitag (Freitags geh ich nie weg) auf einer epochalen Party bis tief in die Nacht herumgedrückt habe, der Samstag muss für eine geglückte Lebensplanung aushäusig verbracht werden.



Aber seitdem ich mich vor Schmerzen krümme, bin ich versöhnt mit diesem Tag, denn nun habe ich ein Motiv, ein Alibi, ich könnte gar nicht vor die Tür, selbst wenn ich wollte. Ist das nicht schön?



Diclofenac intus, Wärmflasche im unteren Lendenwirbelbereich, bewege ich mich in Schonhaltung durch meine vier Wände, gekleidet in Flausch und Wolle, zufrieden mit mir und der Welt. Bis auf die fiesen Schmerzen halt und dem Unvermögen mich aus einem Sessel zu erheben, weil diese Vorwärtsbewegung viehisch weh tut.



Es wird Zeit für einen Notknopf, den ich um den Hals trage.

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