Montag, 12. Oktober 2015

Die glücklichste Frau der Welt

Ich komme in die Arztpraxis, meine beste Freundin an der Hand. Da sie mich gut kennt und ein Menschenfreund ist, hat sie angeboten, mich zu begleiten. Kein Wunder, dass sie so beliebt ist. 

Zunächst auf die Liege zum normalen EKG. Als ich angestöpselt werde, fängt das Gerät an zu piepen wie verrückt, wegen Ruhepuls 120. Kein Wunder, denn mir gehen verschiedene Dinge durch den Kopf. Immerhin werde ich gleich erfahren, dass ich schon mehrere versteckte Herzinfarkte hatte, das lässt sich nun nicht länger verbergen, und wer bliebe dabei ruhig?

Die Arzthelferin nimmt das Ergebnis und meint, sie muss erst mal den Arzt fragen, ob ich überhaupt ein Belastungs-EKG machen darf. Wohl kaum, bei all den Herzklappenfehlern und Infarkten, die ich tapfer mit mir allein ausgemacht habe.

Wir warten, meine Freundin lenkt mich ab mit illustren Familiengeschichten, aber ich kann ihr kaum zuhören. Ich warte auf den Arzt, der sicher jede Sekunde hereinstürmt und schon den Helikopter bestellt hat, damit ich schnell ins Herzzentrum geflogen werde. 

Die Arzthelferin kommt zurück und mir entgeht ihr bedenklicher Blick nicht. Ich darf auf's Rad. Aha. Der Arzt will also jede Sekunde nutzen bis der Hubschrauber kommt. Dann haben es die Sanitäter auch leichter und wissen gleich, dass es ernst ist. Umfassende Ergebnisse, mehr Behandlungsalternativen.

Ich steige auf das Rad, werde wieder angestöpselt, es piept wie irre und ich denke, wie kireg ich nur meinen Puls runter? Nun ist Radfahren im Grunde meine Passion, es strengt mich nicht sonderlich an, obwohl es alle zwei Minuten schwerer wird und mir immerzu der Blutdruck dabei gemessen wird. Das Piepen wird immer bedrohlicher und obwohl ich das strampeln locker schaffe, überrollt mich Angst, weil das Gepiepse doch nur bedeuten kann, dass ich schon wieder einen Herzinfarkt habe, jetzt, in diesem Moment, wo bleibt denn nur dieser Scheiß-Hubschrauber? 

"Ichgannichmehr" - "Wieso, sind Ihnen die Beine schwer?" Die Beine schwer, die Beine schwer, natürlich sind sie nicht schwer, ich habe Hammer Muskeln in den Beinen, die sind nie schwer, ich hab die Beine einer Zwanzigjährigen, nur dieses Gepiepse erfüllt den Raum, es dröhnt in meinen Kopf, hört das denn niemand, kapiert sie nicht, dass ich an der Schwelle zum Tod stehe? 

"Bekommen Sie keine Luft mehr? Haben Sie ein Engegefühl in der Brust?" Hä? Was redet die denn nur? Meine Freundin schaltet sich ein "Sie hat nur Panik, sonst gar nichts." Sie schaut dabei aufs Handy, erkennt den Ernst der Lage nicht. 

Ich muss noch ein paar Minuten weiter strampeln ohne Widerstand und die Arzthelferin misst mir weiterhin den Blutdruck. Nach vier Minuten murmelt sie "130 zu 80" - das gibt mir Hoffnung, denn nach allem was ich weiß , ist es ein gutes Zeichen, wenn der Blutdruck sich nach kurzer Zeit wieder normalisiert. 

Ich darf mich wieder anziehen und nun warten wir auf den Arzt. Als er uns reinruft, schlägt mir das Herz wieder bis zum Hals, denn nun muss ich der Wahrheit ins Auge blicken, die Blutergebnisse stehen ja auch noch aus. Ich schau ihn ängstlich an.

"Dein Herz läuft tiptop, nix auszusetzen. Aber da war noch Luft nach oben, ich hätte deinen Puls gerne noch ein bisschen hochgejagt. Warum biste denn früher abgestiegen" Ja, warum sagt mir das denn keiner vorher, dass das der eigentliche Sinn ist? Dass der nach oben soll? Dass das gar nichts Schlimmes ist, sondern erwünscht, während ich arme Socke bereits ein weißes Licht sehe. Der war nie höher als 135, wie ich jetzt erfahre; für das Gestrampel ein geradezu exquisiter Wert. 

Gut, aber bei den Blutwerten, da muss doch jetzt was rauskommen, wahrscheinlich Leukämie, Zufallsbefund, man kennt das ja. "Blutbild perfekt, sagenhaft gute Nierenwerte, Nüchternzucker 90, nur Cholesterin, der ist zu hoch." Er hört mir noch die Halschlagader ab "Du hast ein echt starkes Herz." Ich muss heute noch mein Zimmer im Rosenhof abbestellen.

Aber ich gebe noch nicht auf. Wenn ich schon mal hier bin, erzähle ich von meinen geheimen Leiden. Dr. House sagt immer, jeder Patient lügt, aber ich nicht, ich lasse meinen Arzt nicht im unklaren und biete ihm eine letzte Chance, eine Notfallbehandlung einzuleiten. "In letzer Zeit ist mir morgens schwindlig, wenn ich mich auf die linke Seite drehe und dann kann ich den ganzen Tag nicht nach links oben gucken, dann wird mir wieder schwindelig." - "Dann guck halt nach rechts unten." Meine Freundin und er lachen herzlich über seinen Witz. Ich berichte weiter. "Und manchmal, da stolpert mein Herz. Da macht es hier so plupp." - "Meine Liebe, lass es beruhigt pluppen." - "Wirklich?" - "Unbedingt."

Ich seh ihn ungläubig an. "Ich muss nicht sterben?" - "Heute nicht."

Verlasse mit meiner Freundin die Praxis und will ein paar Atome spalten oder die Weltformel lösen, mir würde alles gelingen heute. Sie will ins Starbucks. Kein Problem, ich helfe, wo ich kann.

13 Kommentare:

  1. "Sie hat nur Panik, sonst gar nichts..."
    SONST. GAR. NICHTS.?!
    *gasp*
    Diese verrohte Person nennen Sie Freundin?

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    1. Aber ja, denn das ist der einzige Satz, der mich sofort beruhigt.

      Mich hatte mal eine Wespe gestochen und da ich sicher war, dass ich in sehr naher Zukunft den dazugehörigen anaphylaktischen Schock bekomme, ließ ich mich von meinem Freund ins Krankenhaus fahren. Dort ließ man mich warten, stundenlang. Dann wurde mir auf einmal schwarz vor Augen und schon lag ich malerisch auf der Wartebank, mit Schnappatmung. So fühlt sich also ein anaphylaktischer Schock an, dachte ich mir. Ein Arzt kam herbeigeeilt, sah auf mich herunter und meinte zu meiner Begleitung "Ach, die hat nur Panik". Ich war augenblicklich geheilt.

      Aber ich verstehe schon... "Nur" eine Panikattacke, der Satz an sich ist eine Schweinerei.

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  2. Ein Belastungs-EKG hat kardiologisch nur eine begrenzte Aussagekraft. Durch ein 24-Std.-EKG werden z. B. erst Bradys oder Tachys entdeckt, die Deinem Alter entsprechen oder pathogen sind. Einem versteckten Vorhofflimmern oder anderen Veränderungen des Herzen (z. B. AV-Block) kommst Du nur über eine Ergospirometrie auf die Spur: Belastung bis zum Max-Puls.

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    1. Annika: Hmmmm. Erkenntnis macht unglücklich. Wissen wir doch alle. Ergo-Spiro ist auch nur zu empfehlen, wenn Ü50er nach Jahrzehnten der Abstinenz einen Marathon planen. Belastungs-EKG ist mehr so für kurze Sprints zum Bus, Flucht vor Hunden und Wasserkästenschleppen.

      Kein Grund zur Sorge. In meiner Ausgabe "Bittere Pillen" von 1985 steht noch ein Blutdrucknormwert von 160/95 lt. WHO. Danach wurde dieser Wert auf 140/85 heruntergesetzt und es gab in Deutschland plötzlich Mio. Hypertoniker. Darunter übrigens viele Weisskittelhypertoniker ohne wirklich hohen Blutdruck. Heute ist der Normwert wieder bei 140/90, wobei für über 60-Jährige nach den kardiolog. Leitlinien der USA sogar bis zu 160/90 Hg normal ist.

      Ich bitte meinen Doc bei Normabweichung immer in kurzen Zeitabständen 3 Mal zu messen. Am Ende stimmts dann.

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    2. Das beantwortet nicht meine Frage.

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  3. Ich wollte damit sagen, dass das Ergebnis eines Belastungs-EKG nur eine begrenzte Aussagekraft hat. Wenn mir ein Doc pauschal sagt, es ei alles in Ordnung (z. B. beim Blutbild), werde ich prinzipiell misstrauisch und erwarte Details und deren Interpretation.

    Vermutlich weißt Du nicht einmal, wie viel Watt Du max. getreten hast. Beim letzten Herzcheck kam ich (Jahrgang 47) auf 361 Watt (prahl........).

    Die Karotis wird übrigens nicht abgehört, sondern es wird sonografisch die Intima gemessen, die einen Hinweis auf den allgemeinen Gefäßzustand gibt. (War wahrscheinlich jetzt auch wieder nicht nötig.)

    Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass in Kleinbloggersdorf der Austausch von medizinkritischen Informationen bei med. Themen immer großes Interesse erzeugt. Wenn Dich das verunsichert, entschuldige ich mich und verschwinde wieder.



    Gruss von Dr. Unblutig

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  4. Na, wenn das nicht unser Bloggersdorfer Obertroll ist!
    Schwing deinen alten, faltigen Arsch hier raus! Keiner will Dich mehr in seiner Kommentarleiste haben, schnallst du das nicht?!
    Wie blöd kann man bitteschön sein, einer ausgewiesenen Schisserin (sorry, Annika!) zu verklickern, dass grundsätzlich alles, was Arzt und Maschine als Ergebnis liefern anzuzweifeln ist?!

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    1. Du Ritterin auf dem weißen Pferd :-)
      Also, wenn du mal einen Babysitter brauchst, bin ich deine sichere Bank.

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  5. Annika: Wenn ich den Kommentar von Juliane lese, bekomme ich das Gefühl intellektueller Einsamkeit. "grundsätzlich.....alles.......anzweifeln"??? Derartige proletenhafte Beleidigungen in einer Gossensprache sind nicht mein Ding.

    Sie sollte Schluss machen mit der naiven Vorstellung, dass sich Ignoranz von selbst heilt.

    Ist das der Diskussionsstil, der hier gepflegt wird? Aber ich war doch schon auf dem Heimweg, da muss irgendeine Tischgouvernante hier nicht noch mal nachfeudeln.

    Konnte ja nicht gleich ahnen, dass ich mich hier vom kiezneurotiker kommend auf einem unpolitischen, antiaufklärerischen Lifestile-Blog verirrt hatte.

    "Gesundheit ist nicht alles, wenn man ansonsten ein Blödmann ist." Adorno

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    1. Ich verstehe den Ton und die Formulierung von Juliane ebensowenig wie Du.
      @ altautonomer

      Dein Kommentar stellt aus meiner Sicht keinen Grund dar Dich derart unangemessen zu diffamieren. Wer das Alter so beleidigt scheint selbst ein gewaltiges Problem damit zu haben. Oder kennt Ihr beiden Euch persönlich und hier wird irgend etwas privates ausgetragen?

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  6. Intellektueller Diskurs sieht anders aus:

    So werden bei der Inhalation von nikotinhaltigem Tabakrauch rund 300 Gene negativ getriggert. Verglichen mit Kleinkindern nicht rauchender Mütter hat die Babys der Raucherinnen Veränderungen in mehr als 100 Genregionen. (Quelle: http://news.sciencemag.org/biology/2014/07/smoking-mothers-may-alter-dna-their-children)

    Guxu hier: https://klausbaum.wordpress.com/2014/10/11/ernahrungsberatung/

    vom Gastautor Troll.

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  7. @ Altautonomer: du gehst mir nicht wegen deines Alters auf den Geist, sondern wegen des so treffenden zweiten Absatzs in Julianes Kommentar. Wegen deiner aus dem Zusammenhang gerissenen Pöbelei beim Narrenschiff, ist mein Bedürfnis, dich wegen des ersten Absatz in Schutz zu nehmen, auf null komma null gesunken. Sie wird im übrigen ihre ganz eigenen Gründe gehabt haben.

    Erstaunlich auch, dass du dich beim Narrenschiff als Urheber eines Kommentars beim Kiezneurotiker zu erkennen gibst, den du bei ihm aber anonym gepostet hast.

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