Donnerstag, 12. November 2015

Mein Vater, der Problembär

Vor einer Woche bekam ich die Nachricht, dass mein ewig spöttelnder Onkel W. gestorben ist, mit 87 Jahren ist er nach dem Mittagsschlaf einfach nicht mehr aufgewacht. Seine Frau ist die älteste Schwester meines Vaters, der wiederum das jüngste Geschwisterkind ist, ein Nachzögling. 

Ich sprach mit meiner Cousine, dass ich aus Berlin anreisen werde und im Heimatkaff ins Auto meines Vaters steigen werde und somit die letzten anderthalb Stunden kutschiert werde. Mein Vater überraschte mich am Telefon mit eisiger Kühle in der Stimme, nein, er werde nicht fahren, sein Knie. Ich war irritiert, denn er ist ein Berufsjugendlicher, wie er im Buche steht, von einem Knie lässt er sich gewöhnlich nichts vorschreiben. 

Ich fragte besorgt, ob es ihm auch sonst gerade schlecht gehe, er bejahte, es ginge ihm gar nicht gut. Seine Kälte und abweisende Haltung schuldete ich einer offenbar akut schlechten Minute, in der ich ihn erwischt hatte. Dafür habe ich Verständnis, und machte mir ein bißchen Sorgen, denn obwohl er keinen Tag älter als 64 aussieht, ist er dennoch Mitte Siebzig.

Ich sagte meiner Cousine wieder ab, weil mein Vater nun doch nicht kommen würde, und die ganze Strecke an einem Tag hin und zurück würden zwar meine Knie mitmachen, aber nicht das Winz-Auto, dass mein Eigen ist. 

Heute erfuhr ich, dass er sehr wohl bei der Beerdigung war und so rief ich ihn an, weshalb er mich denn nicht informiert hat, dass er doch fährt, ich wäre doch so gerne mitgekommen.

Und dann folgte der vorläufige Schlusspunkt meiner ohnehin nicht leichten Vater-Tochter-Beziehung, ich fasse mal zusammen: 

"Weil ich dich nicht mitnehmen wollte. Das ist eine Beerdigung im engsten Familienkreis gewesen, da müssen nicht irgendwelche Leute kommen, das macht alles nur noch schlimmer, du wärst nur eine Belastung für deine Tante gewesen. Außerdem habe ich keine Lust auf dieses Gelaber. Und weisste, dass du deine Cousine gleich anrufst, dass ich nicht komme, du spinnst wohl. Wenn du keine Lust hast zu kommen, dann sag ihr das, aber halt mich da raus. Ich hab dir schließlich nicht verboten, zu kommen, ich will dich einfach nur nicht in meinem Auto mitnehmen. Du lebst dein Leben, ich leb meins. Und du würdest mich auch nicht in deinem Auto mitnehmen." 

Mein Vater wird also irre. In all diesen Sätzen ist soviel Irrsinn verborgen, quatsch, nicht verborgen, Irrsinn bahnt sich seinen Weg. Man kann Irre ja nicht verstehen, außer, man ist selbst irre und nun übe ich mich fleißig im entpersonalisieren und versuche, das nicht persönlich zu nehmen, obwohl er selten so persönlich geworden ist, wie eben. 

*schluck*

3 Kommentare:

  1. Mein lieber Schwan. Muss man sich um seine geistige Gesundheit sorgen, oder ist er einfach so, mal mehr, mal weniger, und dieses Mal besonders schlimm.
    Wenn man als Tochter nicht zum engsten Kreis der Familie gehört, dann gibt es gar keine Familie.
    Ich hoffe Du nimmst es Dir nicht zu sehr zu Herzen und das Entpersonalisieren gelingt Dir.

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    1. Ich bin wie betäubt. Ich kann es mir nur so erklären, dass er verrückt wird. Das kommt so unvermittelt.

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  2. schluck, irgendwelche Leute? Das klingt in der Tat strange, egal wie schwierig eine Eltern-Kind-Beziehung sein kann.......seufz.

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