Mittwoch, 16. Dezember 2015

Beschauliche Tage

Die stillste Vorweihnachtszeit meines Lebens. Kein Stress, kein Gehetze, kein gar nichts. Als ich mich neulich so erregte über Cheffe, wünschte ich mir insgeheim eine kleine, nicht lebensbedrohliche Krankheit, die dafür sorgt, dass ich ihn bis zum Weihnachtsurlaub nicht mehr sehen muss. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von zwar vorhersehbaren, aber immer schwerer zu verdrängenden Jahresend-Kränkungen. 

Ich wurde erhört: das Knie. Dann wurde ich auch noch taub. Also zum Arzt, schon wieder. Eine ungewöhnliche Häufung. Der stellte ein paar spektakuläre Sachen fest und schickte mich mit gelben Schein und Antibiotikum nach Hause; ich war erleichtert. Weitere Tage, in denen meine Wut in aller Weltabgeschiedenheit verrauchen konnte. 

Gestern erkundigte er sich per sms, wie es denn so aussieht. Kaum hatte ich eine ausweichende Antwort formuliert und versandt, bekam ich Schüttelfrost, Halsweh und kurbelte die Tempo-Industrie an. Die Ohren, die seit gerade mal zwei Stunden ihren Dienst wiederaufgenommen hatten, quittierten ihn umgehend. Dafür ging es dem Knie besser. 

Das Schöne an einer Grippe ist, viel zu schlafen. Aber nicht, wenn man schon seit anderthalb Wochen viel schläft. Ich habe auch keinen Wunsch nach weiteren ruhigen Tagen. Ich habe schon soviel in die Luft geguckt, geatmet, meine Mitte gesucht und bin dabei ganz ruhig geworden; im Selbststudium zur Zen-Meisterin. Das geht ganz einfach, man muss nur die Glotze anmachen.

Ich habe stundenlang einem sportlichen Schweizer auf 3 Sat zugeschaut, wie er sein Land erkundet, seitdem sehe ich die Schweiz mit ganz anderen Augen. Ich sah Tierpflegern bei der Fütterung von Hyänen zu, sogar den Tatort am Sonntag habe ich mir angesehen und bedauert, dass ausser einem Wangetätscheln kurz vorm Ableben nichts zwischen Ulrike Folkerts und Jürgen Vogel passiert ist, was sicher daran lag, dass er nie gelächelt hat, denn wenn er lächelt, ist schon ein Wangetätscheln unzumutbar.

Ich zappe sogar zu TV Berlin, soweit ist es schon mit mir gekommen; sehe zufällig einen Journalisten, von dem ich weiß, dass er einen historischen Moment hatte, den man in seinem Beruf wohl nur einmal im Leben hat. Als er kürzlich zu einer Veranstaltung kam, begrüßte ich ihn und schleppte ihn kurzerhand zu den Azubis, die mir beim Empfang helfen. 

"Alle mal herhören, ich stelle Ihnen jetzt eine historische Person vor. Sie wissen doch, damals, als Schabowski versehentlich die Mauer geöffnet hat...." ich schau in fragende, dann unsicher nickende Gesichter, kein Wunder, sie sind ja noch so klein jung... "Also, als Schabowski sagte, dass die Reisefreiheit beschlossen wurde, da stellte dieser Herr hier die alles entscheidende Frage Gilt das ab sofort? Der Rest ist Geschichte, können Sie sich auf Youtube angucken."

So, ich muss jetzt weiteratmen, die ganze restliche Woche noch. Und dann ist schon Weihnachten. Noch mehr freie Tage. Herrje.

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