Sonntag, 6. Dezember 2015

Wenn aus Nichten Mütter werden

Ich sehe meine Nichte an, die schläfrig auf dem Sofa sitzt, mit ihrem Baby auf dem Arm. Mir fallen selbst beinah die Augen zu, denn seit 10 Uhr tummeln sich vier Generationen in meiner Wohnung.

Schnappe mir den Winzling und beschließe, wir halten mal ein Nickerchen. Ich bin selig. Endlich ist es still um uns herum und ich habe meine halbe Stunde ganz allein mit diesem kleinen Wunder. Ich unterhalte mich per Gedankenübertragung. 

Hallo, sage ich, ich bin's. Hab ganz schön lange auf dich gewartet. Drei Wochen bist du schon da. Und erst heute... Schwamm drüber. Jetzt bist du ja hier. Huch! Atmest du noch? Mach keinen Scheiß, mein Augenstern. Doch, du atmest. Puuuh. Gott, bist du klein. Wie kann ein Mensch nur so klein sein?

Es liegt ganz still auf mir, manchmal macht es fiep und manchmal streckt es sich. Jeder Laut, jede Bewegung, alles, was es macht oder lässt, rührt mich. Ich schau es an und könnte für den Rest meines Lebens nichts anderes mehr machen. Oder wenigstens bis zum Abitur. 

Ich erinnere mich, als meine Nichte 13 war: sie hatte Kummer und setzte sich auf meinen Schoß. Ich weiß nicht, ob sie schon damals größer war als ich, aber viel gefehlt hat nicht mehr. Jedenfalls dachte ich damals: Genieß das, es ist das letzte Mal. Und das war es auch. Unmittelbar im Anschluss bekam sie Pubertät und war auf Jahre ungenießbar.

Und jetzt? Legt sie mir ihr Kind auf den Bauch, deckt uns zu und schließt leise die Tür.

4 Kommentare:

  1. Huch, da ist mir grad ne Fliege ins Auge....oh, und die geschaelte Zwiebel...hach, so schoen geschrieben. Danke!

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  2. das leben ist eine serie, und wenn man glück hat, eine gute.

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  3. Schnüff.. Kleine Wunder, ja. Und schön, daß deine Nichte dir so vertraut. Manche Mütter geben das neue Baby nicht aus der Hand. Später würden sie's dann gern mal loswerden, aber es will keiner mehr. ;)
    Ich freu mich auf meine Enkel, muss aber noch nicht bald sein. :o

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