Sonntag, 18. September 2016

Alex - nein: Annika bloggt's

Ich steh an der Kasse. Hinter mir ein Mann, der sehr laut und sehr genervt sagt:

"Ich will aber kurz nach Hause, mich auf's Sofa hau'n, ich brauch 'ne Pause, und wenn's nur 'ne Viertelstunde ist."
"Menno, Papa, muss das sein?"
"Ja, das muss sein. Ich bin durch."

Ich dreh mich um und sehe einen ca. 55 jährigen Mann, der sich für sehr gutaussehend hält, es aber nicht ist. Er sieht kaltschweißig und mitgenommen aus. Unsere Blicke kreuzen sich kurz. Ich schau wieder nach vorn. Es wird jetzt noch lauter hinter mir.

"Ich müsste auch meine Golfschläger putzen. Habe ich aber keine Lust zu. Deine müssten auch geputzt werden. So ein Scheiß auch. Keine Lust."
"Mensch Papa, da habe ich auch keinen Bock drauf. Kann das nicht jemand anders machen?"

Aha, ich soll also wissen, dass der feine Herr Golf spielt. Ich dreh mich nochmal halb um, lehne mich an das Förderband und schaue unbeteiligt auf die Auslage mit den ÜEiern und Menthos. Aus den Augenwinkeln sehe ich das teigige, blasierte Gesicht des cirka dreizehnjährigen Jungen. Der wird bestimmt in der Schule jeden Tag verkloppt, selbst in einer Privatschule hätte er es schwer unter seinesgleichen, weil er eben nicht von einem Großkotz abstammt, sondern nur von einem Möchtegern-Großkotz. 

Und weiter geht's:

"Zeig mal deine Mandeln"
Der Sohn öffnet den Mund.
"Nicht hier! Das machen wir in der Praxis, wollte nur wissen, ob du noch Schmerzen hast."

Nein, der Schwachkopf wollte mich nur wissen lassen, dass er Arzt ist. Allerdings ein Arzt, der offenbar zu viele Drogen nimmt und davon in der letzten halben Stunde zu wenig, so hyperaktiv und fahrig wie er ist. 

Er fängt an, seinen Sohn im Nacken zu massieren, dem das mehr als unangenehm ist. Er zieht den Kopf ein, dreht sich weg. Der Vater lässt ab von ihm und haut ihm ein paar Mal kumpelhaft auf den Rücken, als würde er eine Kuh tätscheln. 

"Scheiß Wetter, können wir nicht mehr Cabrio fahren."
"Ja, Scheiße, Papa."

Ich soll vollumfänglich informiert werden, soviel ist klar. Der Fang des Jahrhunderts steht hier und keiner merkt es. Ein später Vater und Junkie, der verbal seinen Schwanz verlängert und annimmt, er könne jede beliebige Maus hinter dem Ofen vorlocken. 

Herrje.

10 Kommentare:

  1. Idee für einen Alptraum: Du bist seine Sprechstundenhilfe.

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    1. Ich seh mich schon aufwachen, mit rasendem Puls und schreckgeweiteten Augen.

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  2. Ein perfektes Beispiel für einen Parvenü. Schrecklich, diese Leute.

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  3. Manchmal ist das direkt schön, als Kerl so komplett nicht diesem - anscheinend - immer noch populären Männlichkeitsbild zu entsprechen. Kann ich mich auch über solche Sachen amüsieren, ohne gleich getroffener Hund zu sein ...

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    1. Populär? Unterschätz die Frauen nicht, es gibt viele, die bei so einem Dampfplauderer nur müde eine Augenbraue hochziehen.

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  4. Warum beziehst Du diesen Dialog zwischen Vater und Sohn auf Dich? Es ist wohl durchaus möglich, aber nicht zwingend so, dass der Typ dritte Personen (= Dich) "beeindrucken" wollte. Vielleicht ist der einfach so drauf. Was natürlich für sein Umfeld recht ätzend sein dürfte.

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    1. Ich im Sinne von "ich" bin gewiss nicht gemeint gewesen. Jede, die dort gestanden hätte, hätte sich dasselbe blabla anhören müssen.

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    2. Ja, jede und je mehr, desto besser. Vielleicht wär ja - eventuell - doch eine dabei gewesen, die dabei Dollarzeichen.. äh Herzchen in die Augen bekommen hätte.

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