Dienstag, 14. April 2020

Nachrichten aus dem Home Office

Zuerst dachte ich, ich lass das mal alles auf mich wirken.




Wie zum Beispiel jede Menge verrückte Frauen sichtbar wurden. Alte Frauen, die mich (mit Maske) auf der Straße anschrien, im Vorbeigehen, "Es gibt keinen Virus!", soso, dachte ich, hoffentlich hast du Recht. Verwirrte Frauen, die in der Bank (übermäßig dramatisch geschminkt, junge-Mädchen-Frisuren tragend) nicht in der Lage waren, eine Überweisung auszufüllen, jeden und jede ansprachen "Können SIE mir helfen?", gefährlich nah und ohne jede Rücksicht alles kontaminierten, was es halt in einer Bank anzufassen gibt - diese ältlichen Frauen also mit weit auf gerissenen Augen, verpeilt durch die Straßen schwankend - die gab es plötzlich zuhauf. Wo kommen die nur alle her, frage ich mich. 

Dann gab es plötzlich in meinem kleinen Wäldchen Völkerwanderungen, gibt es bis heute. Verstehe ich, ich rette mich ja auch täglich in die grün explodierende Zwitscherbude. Habe mir den Leihhund geholt, für eine ganze Woche war er bei mir, bei jedem Videocall lag er neben mir auf dem Boden, eine Weile, um dann den Versuch zu starten, irgendwie auf meinen Schoß zu kommen, dabei ist er viel zu groß und schwer und ich bin dafür wenig zu haben, wie ich feststellen musste. Nach 4 Tagen nannte ich ihn nicht mehr Leihhund, sondern Stalker und das meine ich nicht mal scherzhaft. Stalker mit ADHS Syndrom, denn er kommt nie zur Ruhe, außer er darf neben mir auf dem Sofa liegen.

Wie gerne wäre ich mit Martin Rüther befreundet, den hätte ich gerne mal gefragt, was es damit auf sich hat und wahrscheinlich hätte er mir klar gemacht, dass es ganz allein an mir liegt weil ich irgendetwas grundfalsch mache - wenn ich nur wüsste, was? 




Ich überlege seitdem nur noch halbherzig, dass jetzt eine günstige Zeit wäre, mir selber einen kleinen Welpen zuzulegen; nie wieder hätte man die Gelegenheit, in aller Ruhe einen kleinen Hund stubenrein zu bekommen, erste Erziehungsversche zu starten und ihn langsam daran zu gewöhnen, auch mal allein zuhaus zu bleiben. Aber wenn das dann auch so ein ADHS-Stalker wird, hätte ich den immer an der Backe.

Nach Corona werde ich sowieso viel öfter im Home Office bleiben - nicht weil ich das so schätze, sondern vor allem, weil das die Arbeitgeber zu schätzen gelernt haben werden. Ich selber finde HO inzwischen richtig doof und an manchen Tagen schleiche ich mich in meine Firma, die einem Geisterhaus ähnelt und erfreue mich an meinen beiden riesigen Bildschirmen und dem rückenschonenden Bürostuhl - die reinsten Glücksmomente sind das.Wer hatte das vor sechs Wochen geahnt? Da habe ich mir einen HO-Tag immer als Geschenk an mich gegönnt.

Was noch? Ich kann keine Nachrichten mehr ertragen. Ich bin mit Verdrängen beschäftigt und lese lieber gefühlige Abhandlungen zum Thema in ZEIT, SZ und FAS. Alles, was mit Zahlen, Fakten, Krankheitsverläüfen, etc. zu tun hat, wird ignoriert, denn all dieses Wissen setzt sich auf meiner ansonsten schon löcherigen Festplatte bombensicher fest und sollte ich dann doch erkranken, wüsste ich in einer Hundertstelsekunde alles, was mich nun erwarten könnte und in meiner kleinen hypochondrischen Welt wäre sofort ausgemachte Sache, dass ich sowohl spätestens als auch mindestens an der Intubation krepieren werde. Nein, Gedankenstopp, nichts ausmalen, die Energie folgt der Aufmerksamkeit. 

Was ich nun nie vergessen werde, ist dieses gleißend helle Licht, das seit dem Lock down jeden Tag scheint. Ich nenne das "Dallas-Himmel", weil mir schon damals beim Dallas-gucken bei Außenaufnahmen immer dieser grellblaue, wolkenlose Himmel aufgefallen ist mit extrem kalten Sonnenlicht und so ist das seit Mitte März auch über Berlin. Schon schön, diese Helligkeit, ich will mich nicht beschweren, es könnte für meinen Geschmack nur etwas weniger gleißend sein. Trifft man draußen jemanden, sieht man auch aus 2 Metern Mindestabstand jede Pore und Schlimmeres; es ist ein erbarmungsloses Licht.

Da ich keine Nachrichten mehr sehe, schaue ich Netflix. Netflix ist gar nicht so toll. Es ist selten mal wirklich Gutes dabei. Zwei Wochen habe ich alle Folgen von Mad Men noch mal geschaut, aus lauter Alternativlosigjkeit. Modisch bin ich seit jeher in die 60er Jahre verliebt; Anfang 70er geht auch noch. Bis auf Joan Harris, die Godmother aller Sekretärinnen, ist das Personal doch eher kotzbrockig angelegt, also musste ich mich auf die Kleider konzentrieren. 

Ja, und ich koche natürlich jeden Tag. Überhaupt esse ich sehr viel. Und ich muss viel putzen und aufräumen. Man schmutzt und flust die Wohnung ganz schön voll, wenn man 24/7 daheim ist. Meine Wohnung weiß gar nicht, wie ihr geschieht. Endlich wohne ich mal meine Miete richtig ab. Meinem Vermieter schrob ich einen freundlichen Brief, ob ich wohl während der Ausgangssperre wieder in den Garten darf, aber er antwortete, das sei "leider" nicht möglich und ich muss gestehen, da habe ich ihn verflucht. Ich möchte hier nicht in Einzelheiten gehen, aber eine Welle von ungeheurem Hass schwappte so über mich, dass ich nicht anders konnte. 

Eine zweite Hasswelle schwemmte mich beinah auf den Ozean, als ich hörte, wie ReWe, Aldi und Lidl ihre Kassiererinnen für die Mehrbelastung zu entlohnen gedenken: zwischen 100-250 Euro Essensgutscheine, also die Möglichkeit, für 100 -250 €uro im eigenen Laden einkaufen zu dürfen. Da wollte ich eine Weltrevolution vom Zaune brechen und jeder Kassiererin zurufen: Bleibt zuhause, lasst euch krankschreiben, dann können eure Bosse die sagenhaften Gewinne zur Abwechslung mal selber erwirtschaften! Ich war schon lange nicht mehr so sauer.

Ostern habe ich das Kontaktverbot gebrochen. Zu dritt auf einer großen Terasse bei 23 Grad - es war Verheißung und Erinnerung zugleich. Früher war das ganz normal und heute wissen wir nicht, wann wir jemals wieder diese Unbeschwertheit haben werden. 

Hier was Saugutes von Sybille Berg: Bankrotterklärung

Zum Schluss noch ein Hinweis auf diese Website
Mehr darüber zu lesen drüben bei Frau Nessy


Montag, 23. März 2020

Whats up, Corona?

Und wo gibt es das Beste zu lesen über Corona und den ganzen Rest? 

Natürlich hier - bei the one and only Glumm

Dieser Mann scheint eben doch ein Zwilling von mir zu sein: immer schreibt er alles haargenau so, wie ich es denke. Das ist auch gar nicht ausgeschlossen. Wir haben schon mal festgestellt, dass wir in unserer Kindheit mal zur selben Zeit an der Mosel waren - ich hoffe, ich durfte das verraten. Da gab es bestimmt einen Geschwistertausch; geplant oder versehentlich, man wird es nie erfahren.

P.S. Und sobald ich mal etwas weniger am Rechner sitzen muss als derzeit (und im Home Office sitze ich den ganzen Tag gebeugt vor meinem winzigen Laptop auf einem 10 Jahre alten Bürostuhl von IKEA - ich bin ein Wrack!) und ich die Kraft habe, etwas Geistvolles zu Papier zu bringen über den derzeitigen weltweiten Abenteuertrip, an dem wir alle gezwungen sind, teilzunehmen - dann mach ich das, so schnell ich kann. 

Im Moment verausgabe ich mich beim whatsappen - wobei ich immer öfter kurz davor bin, mein Handy im Schlachtensee zu entsorgen, so sehr hasse ich diese Flut an Nachrichten.

Vorläufiger Höhepunkt: Foto einer Kerze, Text dazu: Tausche dein Profilbild 24 Stunden lang durch die Kerze der Hoffnung aus. Die Kerze ist für alle an Covid 19 erkrankten. Sende sie an deine Freunde und dann sehen wir, wieviel Kerzen wir entzündet haben. 
 

Ich kotz im Strahl, dabei habe ich von Natur aus ein weiches, mitfühlendes Gemüt. Aber nachdem ich gestern schon um 21 Uhr aus dem Fenster gucken und klatschen sollte, hier im totenstillen, von Wäldlein umgebenen "Grab im Grünen" - die hätten gleich den Krankenwagen für mich geholt und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass ich aus Solidarität applaudiere. Ich hab nix gegen Verbrüderung in schlechten Zeiten, aber ich bin strikt gegen Rosamunde-Pilcherisierung.


Bleibt hübsch gesund und fallt beim Fensterputzen nicht raus.

Das ganze Leben ist ein Witz (Corona Favourites)





Montag, 16. März 2020

In allerletzter Minute...

Mein liebes Mütterlein musste knapp 80 werden und eine Pandemie direkt vor der Tür stehen haben, bis sie sich endlich bereit erklärte, sich als Notfallpatientin auf die Gustloff zu begebenden OP-Tisch  zu legen, um sich einen Gallenstein herausoperieren zu lassen.
Seit mindestens 20 Jahren reden wir auf sie ein, sie möge sich doch bitte endlich die Galle entfernen lassen. No Chance. Nach jeder Kolik fand sie zu neuer Zuversicht zurück und schränkte ihre Essgewohnheiten noch weiter ein, um ihre Galle bei Laune zu halten. Letzte Woche nun das finale grande: nun aber wirklich unerträgliche Schmerzen, die sie tapfer eine Woche ertrug, um mir dann am Donnerstagabend mitzuteilen, dass sie ihren Krankenhauskoffer schon mal gepackt habe, ‚für alle Fälle‘. Nun, das waren alarmierende Töne – ich hatte so eine ungefähre Ahnung, dass es ihn nun saudreckig gehen muss.
Ich bat sie, mich sofort zu informieren, wenn sie beschließe, 112 zu wählen, sms reiche.
Aber nun ist es mit ihr schon immer so, dass sie die klassische Krisenkommunikation der totalen Geheimhaltung bevorzugt, die zum einen daraus besteht, keine Nachricht zu schicken und zum anderen, das Handy ganz auszuschalten. Also maximale Nichterreichbarkeit herzustellen. 
Ich wache also Freitag früh auf, gegen 6 Uhr, schreibe eine sms, ‚Wie war die Nacht?‘ – keine Antwort, kein blaues Häkchen, nichtmalzwei grauen Häkchen. Warte bis 7 Uhr, rufe auf dem Festnetz an. Keine Antwort. Ich warte bis 7:30 Uhr, rufe bei den Nachbarn an, die haben einen Schlüssel. Die irren durchs Haus, finden meine Mutter nicht. 
Ich rufe alle Krankenhäuser an, ‚Ach, ich hab sie schon, seit heute Nacht ist sie hier, auf Station 7, Moment, verbinde.‘
Werde verbunden, ‚Sie sind die Tochter? Kann Sie trotzdem nicht verbinden, ich sage ihrer Mutter Bescheid, dass sie Sie zurückruft. Nein, Auskünfte kann ich nicht erteilen.‘
Gegen 9 Uhr Anruf meiner Mutter, sie habe mir um 6 Uhr morgens eine sms geschickt, aber die sei nicht durchgegangen, im Krankenhaus sei das Internet wohl kaputt. Nun sei sie schon im OP-Hemd, gleich sei sie dran.
To be continued

23.3. Edit: es geht ihr bombig. 

Dienstag, 10. März 2020

Moribunde bei REWE

Mein guter alter Freund Bodo, seineszeichen Medizingerätetechniker und unbestechlicher Kritiker der gewinnorientierten Krankenhauspolitik und den damit einhergehenden unnützen Operationen, mit denen harmlose Menschen gequält werden, sagte mir entnervt: „Solange du nicht multimorbid und über 80 bist, hast du kaum eine Chance, an Corona zu versterben“. Einerseits beruhigend, andererseits steht da das Wort „kaum“. Tja. ‚Kaum‘ heißt nicht ‚ausgeschlossen‘. 

Ich komme gerade von einem weiteren Hamsterkauf zurück. Ich habe schon eine XXL Packung Klopapier, 3 Beutel Reis, 5 Beutel Nudeln und 2 Tiefkühl Pizzen – das ist weit über das hinaus, was ich üblicherweise im Hause habe. Ich bin eher so auf effizienten Verbrauch aus – Clean-Desk-Prinzip in der Küche – nicht auf’s horten. Im Moment lerne ich das aber ein bißchen. Ich habe auch 20 Eier jetzt. 

Einzig Wasserflaschen in rauen Mengen in meine Wohnung zu schleppen konnte ich mich bisher nicht motivieren. Ich hoffe, dass die Krise nicht so schlimm wird, dass die Techniker bei den Berliner Wasserwerken nicht mehr in der Lage sein werden, meinen Wasserhahn zu befüllen. 

Wir haben jetzt einen Corona Fall in der Firma, aber unsere Corona Task Force (hat jetzt fast jeder) findet nicht, dass wir deshalb alle ins Home Office gehen sollen. Ist ja verständlich: bisher waren pro Tag vielleicht 10 Leute im Home Office. Auf 500 Leute ist die IT-Struktur gar nicht vorbereitet. Und das würde nix anderes bedeuten als Netflixen auf Firmenkosten. Da schreckt die Task Force noch vor zurück.

Seitdem ich davon gehört habe; also von dem Corona Fall, geht es mir stündlich schlechter, aus Solidarität, glaube ich. Seit einigen Stunden habe ich Halsschmerzen und hoffe, dass ich nicht vielleicht doch multimorbid bin. Über 80 kann ich schonmal mit Sicherheit ausschließen; immerhin.
Eine Sorge weniger.

Sonntag, 1. März 2020

Corona und Menopausen-Demenz

Wer hier schon länger mitliest, weiß, dass ich auf höchster Alarmstufe bin. Aber eben nicht lange genug. Ich habe keine FFP3-Masken mehr ergattert, sondern nur diese grünen, nutzlosen Dinger, die höchstens bewirken, dass ich mich in meinen eigenen vier Wänden keinen unnötigen Gefahren aussetze, falls mal draußen ein Briefträger vorbeifährt oder so. 

Bin also recht spät auf den Zug aufgesprungen, wobei - wie mir eine Apothekerin erzählte - die Masken in "ganz Deutschland" von "Chinesen ausgekauft" wurden und direkt weiter nach China geschickt wurden. Ich hatte im Grunde keine Chance.

Nun ja, dachte ich, kauf' ich wenigstens genügend Futter ein, falls ich mich ins Home Office zurückziehen muss. Dann will ich gewappnet sein und nicht hungern müssen. Und nun kommt meine Demenz ins Spiel: Mensch, denke ich, Olivenenöl, das nimmste mit, wer weiß, vielleicht musste sogar kochen in Quarantäne. Komm' nach Hause und schau an: denselben Gedanken hatte ich beim letzten Einkauf auch schon. Toilettenpapier habe ich in ungeheuren Mengen. Also, da kann ich ganz viel Duchfall kriegen, das macht nix, ich bin gewappnet. 

Getränke widerum hatte ich keine Lust zu schleppen. Das Wasser kommt aus der Leitung, ich hoffe, das bleibt auch so und um das aufzupeppen, werde ich mir literweise Früchtetee kochen - ich trink doch so gerne rote Sachen. 

Meine beste Freundin kommt demnächst nach Berlin und ich habe sie heute gefragt, ob sie sich das vielleicht noch mal überlegen will. Zu spät, meinte sie, ich habe die Tickets schon bezahlt. Eine amerikanische Kollegin warnte sie auch schon eindringlich vor einer Reise nach Deutschland, weil das Gerücht umgehe, die USA werden in absehbarer Zeit keine Deutschen (und wahrscheinlich auch sonst niemanden) mehr einreisen lassen.  

Am Freitag übrigens blieb ich daheim, weil mich Glieder-und Halsschmerzen (O o) plagten und beschloss, mich umgehend gesundzuschlafen, was mir tatsächlich auch gelang. Schon Samstagmittag tätigte ich weitere Hamsterkäufe (grünes Pesto hatte ich schon und Butter auch) und holte mir entschlossen den Leihhund, weil der mich Anfang letzten Jahres schon vom Bandscheibenvorfall heilte, innert drei Tagen und exzessiven spazierengehens mit dem Hund war ich vollständig genesen. Also wird das bei Corona Schnupfen auch helfen, und was soll ich sagen? Das Tier weckt meine Selbstheilungskräfte. 

Fazit: ich kaufe jetzt besser nichts mehr ein. Beim Lidl waren die Regale sowieso schon leer. Noch mehr Teelichter brauche ich wirklich nicht.

Sonntag, 16. Februar 2020

Augen auf beim Autokauf

Neulich wollte ich mir ein neues Auto kaufen. Das alte 15 Jahre alt, mit zunehmenden Zipperlein evtl. nicht mehr ohne größere Invesition durch den TÜV zu bekommen.

Nun gibt es vier drei Dinge, die in meinem Leben immer klappen: Parkplatz vor der Tür, Autos, Jobs und Wohnungen. Also sah ich mir zwei Autos an, die alles hatten, was ich wollte. Beim Besichtigungstermin stellte sich heraus, dass TÜV nicht nur nicht neu ist, sondern gar nicht vorhanden, jedoch für 130 € zu erwerben sei. Die Sitzheizung gibt es doch nicht und Gewährleistung nur, wenn ich 1.000 € mehr bezahle. Bei dem anderen war "das Radio" kaputt - in diesem Fall der komplette Bordcomputer mit Navigationssystem. Invesition: 700-1000 €. 

Frustriert schaute ich im Internet nach anderen Autos. Früher, da bekam man beispielsweise Opel Corsas hinterhergeschmissen. Oder so lütsche Japaner. Tja, nix bekommt man mehr hinterhergeschmissen. Beim Autokauf herrscht auch Gentrifizierung. Ich gab meinen Plan, ein Auto zu kaufen, wieder auf.

Meine olle Möhre stand aber schon am Straßenrand, mit einem Verkaufsschild ausgestattet und am selben Abend bekam ich einen Anruf von einer Dame. Sie sei die Frau, von der ich vor fünf Jahren mein Auto gekauft habe. Nein, sage ich, das habe ich von einem Mann gekauft. Ich weiß, sagte sie, der hat es von mir gekauft und hatte es zwei Tage später für 500 € mehr wieder an die Straße gestellt (Mir hatte er damals erzählt, er hätte es von seiner Omma).

Ihr Gatte habe im vorbeifahren zufällig gesehen, dass ihr altes Auto wieder zum Verkauf angeboten werde und da wollte sie mich fragen, ob ich zufällig ein Neues brauche, denn sie wolle nun wieder ihr Auto verkaufen und da wäre es doch "sehr witzig", wenn ich es wieder kaufen würde, oder?

Ja, sage ich, schon witzig, was soll er denn kosten? Sie nannte einen Preis, der mein Budget überschritt. Bedauernd beendeten wir das Telefonat, denn dieser Wagen hatte wirklich alles, was ich wollte.

Dann dachte ich an die zwei Schlawiner, die mich übers Ohr hauen wollten. Der nicht mehr vorhandene Markt für preiswerte Kleinwagen. Meine womöglich vollkommen überholte Einschätzung, was "preiswert" heutzutage bedeutet. Mein Bedauern, dass sich die ganze Welt Neu- oder Jahreswagen leisten kann, nur ich nicht.

Abends rief ich die Dame noch mal an. Sie war hocherfreut und meinte gleich, sie habe mit ihrem Mann gesprochen, sie sei bereit, 1.000 € mit dem Preis runterzugehen. Das war zwar immer noch über meinem Budget, aber ich hatte unterdessen nachgeschaut, was ihr Wagen im Netz kosten würde. Immerhin nur 15.000 km runter und erst 6 Jahre alt; sowas ist in meiner Welt ein Neuwagen. Das Netz sieht das ausnahmsweise ähnlich: sowas von außerhalb meines Budgets! Da verzichtet sie auf eine Menge Geld, weil sie es witzig findet, dass ich erneut ihren Wagen kaufe - aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

Beglückt sagte ich nun zu, verkaufte meinen alten an einen Herrn, der zwar bei der Probefahrt mein Herz brach, weil er das Auto im ersten Gang bis kurz vor'n Motorschaden und auch den zweiten Gang bis Anschlag trat und erst dann mit 45 kmH durch die Straßen juckelte - sich also als der typische unfähige Autofahrer erwies, der mangelndes Fahrvermögen durch äußerst ruppiges Anfahren wettzumachen versucht - aber es ist nicht mehr meine Sorge, dass er es auf diese Weise nicht mal mehr bis zum TÜV schaffen wird. 

Gestern war der Tag gekommen. Ich fuhr zu der Dame, machte eine Probefahrt, ich begeistert an der Grenze zur Schnappatmung. Dann bat sie mich nach oben in ihre Wohnung, um den Vertrag zu unterschreiben. Ihr Gatte ebenso freundlich wie sie. Eine Stunde saß ich bei den beiden, angeregt plaudernd, uns gegenseitig Sympathie versichernd und ganz ehrlich: die beiden sind wirklich richtig sympathisch.

Wir bleiben in Kontakt. Denn wenn sie in fünf Jahren ihren wieder verkauft, wäre es doch schön, wenn ich ihn wieder kaufen würde, meint sie.

Die beiden hat mir der Himmel geschickt.

Donnerstag, 6. Februar 2020

Thüringen. Setzen, sechs.

Dunnerlüttchen, da haben sich FDP und CDU aber komplett zerlegt und das an nur einem Tag. 

Mir immer wieder rätselhaft, wie instinktlos Menschen agieren. Ohne gesunden Menschenverstand, ohne Scham und ohne jedes Anzeichen von Weitsicht, dass sie just in dieser Minute gesellschaftlichen Selbstmord begehen bzw. sich jeder Ehre berauben, auf alle Zeiten. Und nicht nur sich selbst: zwei Parteien gleich den Genickbruch mitgeliefert - weil seit heute jeder weiß, wes Geistes Kinder die Diäten einstreichen.

Hoffe, die FDP ist ein für allemal erledigt. Wurde auch Zeit. Kubicki gratuliert, Lindner auch - wem so ins Hirn geschissen wurde, soll sich ein anderes Hobby suchen. AKK und Mohring ebenso. Dass die unsereiner für so doof halten, nicht 1 und 1 zusammenzählen zu können,  das ist fast das Schlimmste. 

Und ihren Familien machen sie auch den Garaus. Wie ich lese, mussten Kemmerichs Kinder heute mit Begleitschutz in die Schule. 

Nun, andere werden zum Thema weitaus Schlaueres schreiben. Haben sie schon.


Freitag, 31. Januar 2020

Irgendwas mit Sex...

...im Titel und schon bekommt man Klicks ohne Ende. Sorry, musste ich gleich nochmal versuchen. 

Natürlich bekommt man hier nüschte geliefert, was irgendwie mit Sex zu tun hat (ausgenommen skurrile Begegnungen mit notgeilen Waschmaschinenverkäufern), sondern höchstens was mit Ellenbogen - meine allerneueste Malaise, seitdem ich kurz vor Silvester etwas Schweres heben wollte. Nach fast vier Wochen bin ich dann doch zum Arzt, der mir eine Schulter-Orthese verschrieb (Gips gibt's heutzutage nicht mehr), in der Hoffnung, dass Ruhigstellung hülfe. Natürlich schnalle ich das Dingens ab, wann immer ich den rechten Arm brauche, also kann von einer Heilung kaum Rede sein. Mal sehen, wie sich das entwickelt. 

Seit einiger Zeit übrigens mache ich eine einjährige Ausbildung zur Mediatorin und seitdem habe ich haufenweise Konflikte und die dazugehörigen Konfliktgespräche - eine erstaunliche Koinzidenz, wie ich finde. Nur unser Trüppchen Zertifizierungswütiger zukünftiger Mediator*innen ist sich in schönster Harmonie einig, dass der Tag noch fern ist (und vielleicht nie kommen wird), an dem man uns auf die Menschheit loslassen sollte. 

Unsere Trainerin ist auch ausgebildete Schauspielerin, also Darstellerin aller Arten durchgeknallter Kunden (=Medianten) und dann sitzen wir staunend vor ihr und sollen sie mit 'aktiven Zuhören' wieder einfangen ("Ich höre, Sie sind wütend" - wenn mir jmd so einen Satz sagen würde, wenn ich gerade sauer bin, spielte der im Prinzip mit seinem Leben. Wird nur noch getoppt von "Lass alles raus", wenn mir mal nach heulen zumute ist. Nichts stoppt Tränenfluss wirksamer als übereifriges Zurschaustellen von Empathie). 

Anyway, die sieben Tage an der Ostsee über Silvester haben mich wieder zur Leseratte gemacht und nachdem ich alle vier Bücher von Joachim Meyerhoff (ausnahmslos empfehlenswert) gelesen habe, bin ich jetzt zu den Mitford Sisters zurückgekehrt. Es gibt sowohl himmlische Romane von Nancy Mitford, als auch haufenweise Sekundärliteratur über jede einzelne Schwester. Im Moment habe ich Unity Mitford am Wickel, die wohl die Verrückteste von allen war, aber lest selbst:

Michaela Karl: "Ich blätterte gerade in der Vogue, da sprach mich der Führer an."

In dem Kaff, aus dem ich komme, hatten meine zwei Schwestern und ich übrigens auch einen gewissen Ruf, aufgrund unserer damaligen extremen Niedlichkeit und als wir alt genug waren, in der Szene aufzutauchen, war das zwar kein Debütantinnenball in London, aber doch auch aufsehenerregend und tatsächlich wurden relativ zeitgleich auftauchende Schwestern nach ihren Nachnamen tituliert und dann hatte man es als Mädchen quasi in den kleinstädtischen Olymp geschafft. "Die Haas-Schwestern" oder "die Pompe-Schwestern" - ein Ruf wie Donnerhall. Meiner mittleren Schwester war das übrigens schnuppe; sie ging und geht zeitlebens früh ins Bett, während ich die Nächte durchtanzte. 

So, nun ist der Januar auch schon wieder rum. 


Freitag, 17. Januar 2020

Der sexbesessene Kühlschrankfachverkäufer



Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet beim Kühlschrankkauf, hätte ich mir schon mal vorab einen Twitteraccount zugelegt, # Age doesn't matter: me too

Seit Tagen frequentiere ich einschlägige Geschäfte auf der Suche nach einem neuen Kühlschrank und gestern landete ich in einem riesigen Möbelhaus, sehr erfreut über die große Auswahl, die gähnende Leere und den gut sichtbaren Verkäufer, der still an seinem Platz saß.


Ich schlendere also an den Kombigeräten vorbei, inzwischen fachlich versiert, mit einer gewissen Anerkennung für easy-slide-Einlegeböden, Fresh-Zones und No-Frost-Gefahr. Ja, man kann sagen, mir macht keiner mehr was vor.




Der etwas zu klein geratene Verkäufer sprang behende auf und fing an, mich fachmännisch zu beraten, auf eine gerade noch angenehm eifrige Art. Ich schöpfte keinen Verdacht und hielt ihn für einen ganz arglosen Menschen; so wie ich im Prinzip auch einer bin sein könnte. 

Irgendwann stand ich vor einem Retro-Gerät, das das Gefrierfach leider oben statt unten hatte und ich murmele: "Ach nee, ich möchte es beim Einräumen lieber komfortabel haben."

Das scheint eine Initialzündung für den Verkäufer zu sein, er wendet sich mir vertaulich zu:

"Aber wenn Sie sich bücken und nicht mehr hoch kommen und Ihr Mann steht hinter Ihnen, dem läuft ja dann schon richtig der Sabber aus dem Mund. Das hat auch seine Vorteile."

Ich tu mal so, als ob ich das nicht gehört habe und gehe weiter zum nächsten Gerät. Er folgt mir eifrig.

"Neulich, da war so ein altes Ehepaar hier, bestimmt schon 70 und dem Mann habe ich das auch gesagt, dass er kein Viagra mehr braucht, wenn seine Frau sich vor dem Kühlschrank bückt. Da kann er dann mal so richtig zupacken."

Irritiert gehe ich weiter, er nun in Fahrt und nicht mehr zu stoppen. 

"Ich hatte mal eine ältere Frau hier, bestimmt 75, die meinte zu mir, dass ich ihr doch den Kühlschrank persönlich bringen soll. Hab ihr geantwortet: 'Wissense, Sex könn'wa auch gleich hier haben.' Jetzt kommt die immer einmal die Woche und jammert, wann ich denn endlich mal zu ihr komme. Aber wissen Sie, bei dem Alter ist das nicht so interessant für mich. Also, wenn jemand wie Sie mir so ein Angebot machen würde, ja daaaa wäre ich aber ganz schnell dabei!"

Nun gibt es ja drei Möglichkeiten für eine Frau, das richtig einzuordnen:

  1. Der Verkäufer lebt in einem Paralleluniversum und glaubt, dass Frauen in einem gewissen meinem Alter sich über jede Anmache derart freuen, dass er das für ein verkaufsförderndes Argument hält.
  2. Der Verkäufer ist von dem Gedanken besessen, dass er unter den Kühlschrankfachverkäufern Berlins eine Art Sexbombe ist und keine Frau ihm widerstehen kann.
  3. Der Verkäufer ist ein entflohener Insasse und darf im Grunde gar keine Kühlschränke verkaufen. 

Daher bin auch nicht vom Donner gerührt über den schwachköpfigen Inhalt seiner Ausführungen, sondern darüber, dass der Mann überhaupt auf die Idee kommt, derlei - zumal auch noch im beruflichen Kontext - abzusondern. Ich wüsste gar nicht, was ich für Drogen nehmen müsste, um zu glauben, dass das ein kundenbindender Flirt wären. 

Natürlich mache ich bei so einem Wicht keinen Aufstand; das würde auch zu nichts führen, außer dass sein Rollenprofil in Sekundenschnelle vom servilen Schleimer zur beleidigenden Leberwurst wechseln würde.

Als ich den Laden verlasse, wende ich mich kurz an den Info Counter und sage:
"Ihr Kühlschrankfachverkäufer ist freundlich, versteht sein Metier, ist aber leider sehr anzüglich." Die Dame fängt an zu lachen "Ach, der Herr Müller, so kennen wir ihn!" Ich ziehe nur meine linke Augenbraue hoch. Sie hört auf zu lachen. "Ich rede mal mit ihm." Ich nicke langsam und beuge mich ein wenig vor "Tun Sie das. Käme keine Minute zu früh." Drehe mich um und gehe, ohne Kühlschrank.


Montag, 6. Januar 2020

In Stettin

Ein Haus, gewappnet für die bevorstehende Heißzeit
  
Wenn man schon mal am Stettiner Haff ist, kann man ja gleich nach Stettin fahren. Die Stadt soll ja so schön sein, wird geraunt. Als wir ankommen, machen wir uns sogleich auf die Suche nach der Altstadt, was in unserem Vorstellung bedeutet: schöne alte Gemäuer kombiniert mit einer pittoresken Shopping-Fress-Meile auf einer Länge von einem Kilometer alles hübsch beisammen. 

Wir suchten uns einen Wolf, kamen an mächtigen Kirchen vorbei, die leider durchgehend geschlossen waren. Hin und wieder stand auch ein altes, mächtiges Gebäude des Weges, jedoch eng von hässlichen Plattenbauten eingerahmt. Architektonisch ist diese Stadt ein weitestgehend geschmackloses Konglomerat. Einkaufsstraßen fanden sich gleich gar nicht, was zunächst mal kein Fehler sein muss, dafür aber andere umherirrende deutsche Silvester-Touristen, die die Altstadt auch nicht fanden. 

Bis auf die sehr sexy junge Bedienung (darf ich das so sagen? Unsere mitreisenden Zausel jedenfalls belebten sich), die uns sehr freundlich ziemlich tolles Essen servierte, war der einheimische Menschenschlag noch mürrischer als vor 10 Jahren der Mecklenburger. Fast meinte ich offene Verachtung zu spüren, was mich irritierte, das muss ich zugeben.  

Eins ist in Stettin aber wirklich toll: die haben eine rote Linie auf sieben Kilometern Bürgersteig gemalt und wenn man der folgt und dabei den dazugehörigen Stadtplan in der Hand hält, sieht man alle Sehenswürdigkeiten und kann sich zudem nicht verlaufen. Leider ist uns das erst aufgefallen, als wir schon 90 Minuten im Blindflug umhergeirrt waren; denn wir sind noch nicht in dem Alter, in dem wir uns auf einen halbtägigen Städtetrip "vorbereiten". Ganz schön blöd. 

Wenn es Sommer gewesen wäre, hätten wir uns glücklich am Hafen niedergelassen und das Treiben beobachtet. So latschten wir fünf Stunden über Stock und Stein, mussten aber im Parkhaus nur 11 Sloty zahlen (= 2,75 €). Alles andere ist aber genau so teuer wie bei uns.

Stettin war (ist?) eine Hansestadt - der Kutter beweist es


Es hat auch hübsche Torbögen am Hafen

Vielversprechende Kirchen, aber...

... alle waren geschlossen.

Mittwoch, 1. Januar 2020

Emilie, wo bist du?


Gestern frönte ich meiner Liebe zu Spaziergängen über Friedhöfe und auch in dem winzigen Kaff in Mecklenburg Vorpommern gibt es einen.

Dieser Grabstein hier lässt manch Frage offen:

1. Lebt Emilie etwa immer noch und haben wir es somit mit einer gänzlich unbekannten, störrisch am Leben hängenden 127jährigen Mecklenburgerin zu tun, die ich zufällig entdeckt habe?
2. Oder hat Emilie in den frühen 60igern, kurz nach Wilhelms Dahinscheiden, noch mal ein neues Glück gefunden und liegt nun begraben in einem anderen Dorf oder womöglich gar in Übersee?
3. Gab es gar ein postmortales Zerwürfnis der beiden Eheleute - bspw eine Geliebte von Wilhelm, die sich zu erkennen gab und Emilie zum Entschluss brachte, Wilhelm allein in seinem kühlen Grab versauern zu lassen?
Noch irgendwelche Vorschläge?

Wie ging es nach dem Spaziergang weiter. Hm, wir mussten uns verkleiden, denn zum geplanten Gelage hatten wir uns für ein Krimidinner bereit erklärt. Das haben wir schon mal vor drei Jahren gemacht, als wir ein einsam gelegenes Försterhaus im Harz gemietet hatten. Damals allerdings war die Spielleiterin eine vom Spiel Besessene und daher kundige Frau, die uns sicher durch den Abend führte. Es gab viel Gelächter, als wir den Mörder identifizierten: Jose, ein zunächst als Don Juan agierender Schwerenöter, der sich zum Ende hin als ein vom Leben frustrierter Gynäkologe erwies, der praktisch zum Mörder werden musste.

In diesem Jahr bekam der genervte Spielverweigerer die Aufgabe, das Spiel zu leiten. Ein Fehler, wie sich rasch herausstellen sollte. Wir saßen in unseren dämlichen Kostümen (ich war die Häuptlingsschwester Hantaywee) am Tisch, lasen in unseren Anleitungen und das meist genutzte Wort des Abends war „Hää?“ Der Spielleiter vergaß stets, uns Anweisungen zu geben, wofür er einiges an Beschimpfungen zu erdulden hatte, die seine ohnehin gereizte Stimmung nicht eben hob. Ich nehme an, in ein, zwei Jahren wird er drüber lachen können.

Euch allen roaring twenties


Sonntag, 29. Dezember 2019

Wo ich gerade bin


Weihnachten ist überstanden und nun bin ich an der Ostsee, in einem Haus, das ich nicht wieder verlassen möchte. Das schöne ist, dass ich wegen meiner nun bald einjährigen Nichtraucherei nicht mehr im halbstundentakt vor die Tür muss, die Temperaturen haben sich nämlich finally empfindlich der dazugehörigen Jahreszeit angenähert. Eisiger Ostwind weht von hüben nach drüben. 

Deshalb müssen wir weiterhin Speck ansetzen, was uns an dieser hübsch anzusehenden Tafel gar nicht mal so gut gelingt, denn die Stühle sind die reinste Katastrophe. 


Was mache ich statt der nikotinbedingten Auszeiten? Ich lese obsessiv, wie damals als ganz junges Mädchen, als lesen innere Kündigung von der Blutsverwandtschaft bedeutete, abtauchen in die Internatsmitternachtspartys im Kreise von Hanni und Nanni. In diesem Sessel. Hervorragendes Zeit rumkriegen neben all dem kollektiven Gewandere durch die mecklenburgische Flora und Fauna.


Oder dem Rumgeliege auf diesen Sofas, die es mir besonders schwer machen, wieder aufzustehen und mich dem Leben zu stellen (weitere Wanderungen).


Kurz und gut: ich bin im Glück und wünsche allen ähnliches zum Jahresausklang; ich denke, das haben wir alle verdient.


Samstag, 21. Dezember 2019

Bei Königs zuhause

Ach, jetzt haben wir es endlich wieder geschafft: die längste Nacht bricht heute heran und ab morgen geht es wieder aufwärts. Es ist aber auch sehr dunkel in diesem Jahr. Zum Ende hin spülte es mich in eine Millionärs... ach, was sage ich: Milliardärsvilla. 

Als ich neulich auf diesem Konzert war, wurde auch für einen Chor geworben. Keine großen Ansprüche, keine Aufführungen, nur zum Spaß halt. Ging gleich zum Dirigenten, der mir versprach, einen Kontakt herzustellen, denn der Chor würde bei einer Dame proben, die ihr Haus geöffnet habe für die Proben und sie möchte vorher wissen, wen sie da einlasse. Aha, nun ja, also nix Gemeindehaus irgendwo, sondern eher Salon, hach dachte ich, mal sehen, wie das wird. 

Zu dritt meldeten wir uns bei der Dame, die huldvoll zurückschrieb, wir seien ihr herzlich willkommen, es wäre allerdings schön, wenn eine von uns auch die Tenorstimme singen könne. Ich empfahl mich, denn wie sagte ich während meiner aktiven Chorzeit immer "Untenrum bin ich echt gut". 

Schon "Stille Nacht, Heilige Nacht" muss ich nach unten oktavieren, weil mir höhe Töne Stimmbandlähmungen verursachen. Ich bin praktisch das stimmliche Gegenteil von Marianne Rosenberg, die hoch singt und mit einer tiefen Sprechstimme überrascht, während ich eher wie Franziska Giffey spreche, aber singe wie russischer Domkosake. 

Wir fuhren in dieser Woche zur angegebenen Adresse und standen andächtig vor einem Trumm von Villa, und zwar genau die Art von Villa, zu der wir niemals Zutritt erlangen würden, normalerweise.  Ehrfucht nahm von mir Besitz, denn landpomeranzisch wie ich nun mal bin, bin ich nicht frei von Dünkeln in die umgekehrte Richtung. Will sagen: echter Geldadel merkt in der ersten Millisekunde, dass ich aus einem handfesten niedersächsischen Reihenhaus stamme, da kann ich noch so vermeintlich natürlich säuseln - es wird immer eine Leutseligkeit zu erkennen sein, die verrät, dass ich mitnichten meine Freizeit in gigantischen Gründerzeitvillen verbringe.

Nun ist schiere Größe durchaus beeindruckend; in dem "Salon", in dem wir geprobt haben, hätte meine Wohnung gleich zweimal reingepasst. Aber, und das beobachte ich nicht zum ersten Mal, sichtbarer Reichtum hat nicht unbedingt etwas mit Geschmack zu tun. Es will sich auch selten ein heimeliges Gefühl einstellen. Wenn das nicht wie in der Bibliothek von Downton Abbey aussieht, hat die Hausherrin meiner Meinung nach kein Talent für's Ambiente - da kann noch so viel gefällige, gegenstandslose Kunst im Original an den Wänden hängen. 

Wenn ich dafür auf seelenlosen Sofas (gelb-orange) und Stühlen (Kirschholz) sitzen muss, die farblich mit gar nichts korrespondieren, auch nicht mit den endlosen Vorhängen (schlammfarben), die wegen der bodentiefen Fenster angebracht sind, dann hat das alles sicher eine Menge Kohle gekostet und die Bilder wurden auch nicht selber in die Wand gedübelt, aber ich möchte gar nicht tauschen. Anders übrigens bei der Villa, die mal die Auftragsmörderin gehütet hat; da wäre ich sofort eingezogen und hätte nichts verändert.

Die ca. 25 Damen und drei Herren bevölkerten den Raum zwar; schon allein deshalb, weil uns der Chorleiter zum umhergehen während des singens aufforderte, aber ich dachte, wie wohl der Raum wirkt, wenn man hier mal ganz allein ein Buch liest? Man ist dann ja doch irgendwie verpflichtet, jeden Abend 30 Leute einzuladen, um sich nicht ganz verloren zu fühlen, oder? Schließlich waren wir nur in einem Raum zugange. Das Haus birgt ja noch viel mehr, auf mehreren Stockwerken, die wir gewiss nie zu Gesicht bekommen.

Die Hausherrin indes entsprach dem Klischee einer etwas überkandidelten Charity-Witwe, schmal wie Wallis Simpson, aus der Ferne leicht derangiert wirkend, aus der Nähe indes erkennt man Spuren früherer Schönheit, mit überbordender, huldvoller Freundlichkeit, die in nichts meiner eigenen, leicht gequälten Leutseligkeit nachstand, mit dem unbedingten Willen, sich zu amüsieren, sich zu bewegen (= wippen beim singen) und etwas zu bewegen, nämlich am liebsten 30 andere, vielleicht nicht ganz so reiche Menschen, zu beglücken mit temporärer Aufenthaltsgenehmigung in ihren heiligen Hallen. Ich will das gar nicht kleinreden; die meisten reichen Leute hätten da wohl keine Lust zu, nehme ich an. 

Alles in allem ein skurriler, dennoch schöner Abend, denn singen macht einfach Spaß, egal wo. Punkt.

Montag, 9. Dezember 2019

Wenn sich Hedonisten trennen

Zuerst wollte ich ja über meinen ersten Husten (seitdem ich nicht mehr rauche) schreiben und dass das echt einen Unterschied macht, aber dann musste ich umdisponieren, weil mein kleines Herz starr vor Schmerz ist, dabei bin ich gar nicht betroffen von dieser zweit-beschissensten Trennung in diesem an Trennungen nicht eben armen Jahr.

Das flirrende kleine Geschöpf aus der DoKo-Runde, unserem jüngsten Mitglied, das vor über einem Jahr ein Kind gebar, in diesen irre heißen Sommer hinein und wir uns wegen ihr fast jeden Tag trafen, weil sie so litt und beschäftigt werden musste und wir ebenfalls litten unter dieser affigen Hitze und abgelenkt werden mussten und mit weicher Matschbirne den schlimmsten Scheiß zusammenspielten, also damals jedenfalls freuten wir uns alle auf das neue kleine Wesen, das bald unter uns sein würde, und nur der ebenfalls entzückende Vater irritierte mich kurz, als er die große Baby-Überraschungsparty für sie gab und uns erklärte, "Ihr sollte alle kommen, damit sie weiß, dass sie nicht allein ist, falls ich mal nicht mehr da sein sollte, weil sie doch keine Familie mehr hat" - und ich knurrte nur "Was soll'n das heißen: falls du mal nicht mehr da bist? Planst du jetzt schon deinen Abgang?" und ein Schmerz durchzuckte mich, stellvertretend, denn natürlich war von dem Moment an klar, dass er gehen würde. 

Und nun erfahre ich, dass er vor ein paar Wochen morgens um 7 Uhr stinkbesoffen heimkam, "Hab dich nie richtig geliebt, aber das Kind wollte ich, Gespräche zwecklos, ich bin durch mit allem", seine Klamotten packte und jetzt 1-2 mal die Woche vorbeikommt und das Kind hütet, wenn sie arbeiten geht. 

Wenn sie dann weint, blockt er jedes Gespräch ab "Ach, das ist alles schon soweit weg von mir...". Sie isst nicht mehr, sie schläft nicht mehr, sie ist in der Hölle. Sie muss sich eine neue Wohnung suchen, denn ihre billige kleine Wohnung hatte sie aufgegeben, als sie mit ihm zusammengezogen ist. Sie wird natürlich gar keine andere finden, jedenfalls nicht dort, wo sie jetzt wohnt. 

Er, übrigens diplomierter Psychologe, hat nicht das geringste Mitgefühl mit seinem Kind, dem er eine stabile Mutter wünschen sollte, aber alles dafür tut, dass demnächst beide aus dem 5. OG springen. 

Eine andere entferntere Bekannte, verheiratet, drei Kinder, ihr Mann hat sich in eine andere verliebt. Kommt vor, macht ja niemand extra, sage ich immer. Aber er möchte, dass sie mit den drei Kindern auszieht, weil er mit der Neuen ins Haus ziehen will. Das Haus hat ihr Architektenvater erbaut und größtenteils finanziert, aber das ficht ihn nicht an.

Wieder eine andere findet im Handy ihres Mannes ein Selfie: er selbst mit erigiertem Schwanz, geschickt an eine Minderjährige aus der Nachbarschaft. Beides sogenannte Akademiker-Haushalte.

Welten können innerhalb Sekundenbruchteilen zusammenbrechen. 

Ich weiß nicht, waren Trennungen immer schon so brutal? Die Geschichten werden immer grausiger. 

Was noch? Lustige kleine Seite gefunden, via "A Grouchy German is a Sour Kraut!":
Regalgift


Edit 21.12.: Eine Leserin empfahl mir das Kursbuch 87 "Trennungen", erschienen März '87. Hab es mir gleich bestellt und allein der erste Text "Schnittmuster" von Keto von Waberer ist so ziemlich das Beste und Lustigste, was ich zum Thema gelesen habe. Sehr empfehlenswert.

Freitag, 29. November 2019

Alles muss raus



Und wieder schließt eine Buchhandlung. 

Die wunderbare, alteingesessene Philipp Wendland Buchhandlung schließt zum 24. Dezember und bis dahin bekommt man auf jedes Buch 30% Rabatt.

Auch wenn mir das wie Leichenfledderei vorkommt, bat mich die Buchhändlerin, die Werbetrommel zu rühren, denn "schließlich wollen wir am liebsten jedes Buch verkaufen." Kann ich gut verstehen, denn die Reste inventarisieren und remittieren ist ein Graus, psychisch wie physisch.

Da diese kleine und feine Buchhandlung sehr gut sortiert ist, kann ich nur jedem empfehlen, sich auf direkten Wege dorthin zu bewegen; so preiswert kommt man nie wieder an wunderbare Weihnachtsgeschenke bzw. die Aufstockung der eigenen Billy Regale und ganz nebenbei boykottiert man die großen Onlinehändler.



Buchhandlung Ulrich Wendland
Uhlandstraße 184 (zwischen Kantstraße und Ku'damm)
10623 Berlin

Mo-Fr 10-19 Uhr
Sa 10-16 Uhr

Adventssonnabende
10-18 Uhr

Adventssonntage 8.12. und 22.12.
13-18 Uhr

Heiligabend
10-14 Uhr

Montag, 25. November 2019

Mit Tosca kam die Zärtlichkeit

Gestern musste ich sehr viel weinen. Ich war auf einem Konzert eines Drei-Generationen-Orchesters. Winzig kleine achtjährige Geigerinnen neben 75 jährigen Rauschebärten und einer, ca. 55, sah sogar ein bissel wie Sting aus. Für jeden was dabei. Dieses Orchester lebt u.a. von schiefen Tönen und wilden Eigenkompositionen des Dirigenten, der eine 15minütige Neuinterpretation von "Alle meine Entchen" als Welturaufführung komponierte und darin alles verbraten hatte, was Rang und Namen hatte: Mozarts Requiem, Die Moldau von Smetana und den Bolero von Ravel. Es war toll! Mein Make up war schon ganz verwischt, weil ich bei konzertanten Aufführungen eigentlich immer heule. Im Gegensatz zu Opernaufführungen, aber da erzähle ich gleich von.

Jedenfalls war das Konzert zuende, und nun gab es auf einmal den "Überraschungsgast". Der Dirigent bat aus dem Publikum einen Thomas auf die Bühne, der aussah wie eine Mischung aus Borat (Gesicht & Haare) und Chaplin (Anzug und Habitus). Der schnappte sich das Mikro und brach schon beim ersten Satz in Tränen aus, weil er "so oft und schnell gerührt" sei, und weil er seine Maren so sehr liebe, wie noch nie jemanden zuvor in seinem Leben und wir drehten uns alle um zu dieser Maren, die so schön wie Dora Maar vier Reihen hinter uns saß und beide Hände an ihre Wangen gepresst hielt. 

Ich heulte auch gleich los, denn nun würden wir Zeugen eines Heiratsantrags in aller Öffentlichkeit werden, das habe ich bisher nur im Fernsehen oder auf Youtube gesehen und ich sank halb an die Schulter meiner Freundin, umschlang ihren Arm und flüsterte ogottogottogott - denn ich bin gerade sehr dünnhäutig, aber das ist wieder eine andere Geschichte, über die ich nicht berichten werde. 

Nun ja, Borat Chaplin stotterte also etwas von "Unsere Lieder sollen unser ganzes Leben erklingen" und ähnlich sinnloses Zeug und dann fing er an zu singen "L.O.V.E" von Nat King Cole. Er sah sie dabei die ganze Zeit an und warf ihr Kusshände zu und als er zuende gesungen hatte, kam sie zu ihm auf die Bühne und dann umhalsten sie sich innig und küssten sich ewig und wir klatschten und hatten was im Auge und dann sank er auf die Knie, holte den Ring raus und bat sie um ihre Hand. rannte er hinter die Bühne und kam wieder mit einem hässlichen Blumenstrauß und dann sank er auf die Knie, holte den Ring raus und bat sie um ihre Hand und dann passierte gar nichts. 

Er nahm ihre Hand und setze sich doch glatt wieder mit ihr ins Publikum. Gerade als wir uns fragten, ob der Mann noch ganz knusper ist, stand er noch mal auf und rief ganz laut: "Moment, ich hab noch was vergessen!" Wir drehten uns erleichtert um, weil er nun doch noch die Kurve kriegte, aber dann rief er weiter "Der Andreas (=Dirigent) hatte gestern Geburtstag!" Nun waren wir überzeugt, dass er einen schweren Dachschaden hat und seiner Maren fürderhin eine alsbaldige Trennung anzuraten sei für diesen Scheiß, den er ihr gerade angetan hatte.

In der Oper hingegen, eine Woche zuvor, tobte zwar auch die Liebe und der Irrsinn auf der Bühne, aber das war zuweilen unfreiwillig komisch, weil die beiden heißblütigen und glutäuigen Liebhaber derart übergewichtig waren, dass ich um ihre pyhsische Gesundheit fürchtete. 

Der eine musste immer  ein Gerüst hoch und runter klettern und dabei singen, der andere lehnte sich zur Entlastung stets an Tische und Bänke und wann immer sie die leichtfüßige Tosca küssen wollten, sah das eher aus, als wollten sie sie ihr in den Kopf beißen oder ihr diesen gleich ganz abreißen. Am Ende mussten beide Herren sterben und sich auf die Bretter fallen lassen und da gab es Gekichere im Publikum, obwohl wirklich nur ernsthafte ältliche Opernfans im Parkett saßen, aber die sind natürlich meistens leptosome Typen. Nun ja. 

War noch was? Ja. Ein schöner Text beim Pestarzt aka Kiezneurotiker

Mittwoch, 13. November 2019

Freitagstexter: And the winner is...



Ganze sieben Menschen (davon drei außer Konkurrenz) haben sich ihr Hirn zermartert, um der gemeinen Winkelspinne eine heiterkeitsauslösende Sprechblase in den Mund zu legen.

Gewonnen hat das Schalttagskind mit:

"Hans-Hermanns Welt war flach, schalldicht und windstill. Die Aussicht war ganz okay, allerdings vermisste er manchmal eine Gespielin oder auch nur jemanden, der ihm mal eine andere Meinung sagte als seine eigene. Wie groß war seine Verwunderung, als eines Tages Facebook ausfiel!"

Fast wäre es Dieter Schablonski geworden, aus Verbundenheit (weil er aus meinem alten Kaff kommt). Zudem bediente er mit seiner Antwort meine hypochondrischen Wesenszüge; dennoch möge er mir nicht übelnehmen, dass er einen guten 2. Platz gemacht hat. 

Meinen Glückwunsch an Shhh, der die Bronzemedaille gewonnen hat. Wenn ich einen Wintergarten hätte, würde ich auch nicht mit der Renovierung vorankommen.

Herrn Ackerbau konnte ich unmöglich nominieren, das versteht sich von selbst, aber natürlich ist es entzückend, dass er sich ob dieser ausweglosen Lage dennoch Gedanken gemacht hat. Sicherlich, um dem ganzen hier ein bissel Drive zu geben - lieben Dank dafür.

Allen anderen a.K. - Kommentaren: besten Dank.

Und nun, verehrtes Schalttagskind (das übrigens einen Blogvater hat: den Zeilensturm 
Bühne frei! Am Freitag muss ein schickes Foto bei dir veröffentlicht werden. 

Freitag, 8. November 2019

Freitagstexter




Beim lieben Ackerboy habe ich beim Freitagstexter mitgemacht, gewonnen und darf muss heute den nächsten Freitagstexter ausrichten. Ich kann ihm einfach nichts abschlagen, denn ich bin ihm auf Jahre hinaus verpflichtet, weil er mich mal zu Max Goldt geschickt hat, einfach so.

Zu dem Foto, das ich unten eingestellt habe, soll von euch ein Kommentar oder eine Bildunterschrift erfunden werden, über die ich möglichst lachen muss. Lachkrampf wäre sogar noch besser. Aber es darf auch traurig sein, dräuend und drohend. Oder ein Filmtitel,  ein Zitat für die Ewigkeit; etwas kafkaeskes oder was von Udo Jürgens - was immer euch einfällt.

Bis nächsten Dienstag (12.11.) bitte ich in den Kommentaren um eure Vorschläge. Am Mittwoch (13.11.) gebe ich den/die Gewinner/in bekannt und zur Strafe muss diese Person dann weitermachen am Freitag (15.11.). 

Die genauen Spielregeln: hier entlang



Und nun zum Foto.





Samstag, 2. November 2019

Cash Cow





Ist so ein kleines Kalb nicht herzallerliebst? Wie das so schaut aus langbewimperten Augen, so sanft, dass ich gleich den Weltfrieden ausrufen möchte.

Aber wie beginnt ein Kuhleben heutzutage, wenn sie Pech hat und auf einem Landwirtschaftsbetrieb zur Welt kommt, wie es ihn nicht geben sollte und auf dem die Dinge suboptimal geregelt sind. Nicht so, wie in den Hügelegigen Landschaften, auf dem Tiere im Glück ein beschauliches Leben haben, unbehelligt wiederkäuen und eigene Namen haben, wie Fred zum Beispiel, oder Klaus.

Wenn es schlecht läuft für das Kälbchen, kommt es direkt nach der Geburt in einen winzigen Einzelstall, in dem es sich einmal um sich selbst drehen kann. Es kann nicht nach draußen schauen, nur an der Stirnseite hängt eine Gummizitze mit Ersatzmilch, ein ganz und gar schlechter Ersatz für Mama Kuh. Wenn es Glück im Unglück hatte, durfte das Muttertier es noch trockenlecken, aber nicht selten erfolgt die sofortige Trennung von Mutter und Kind. 
Kälbchen-Einzelställe
 
Später, wenn die Kühe groß sind und Milch geben, wird's nicht leichter. Sie sehen kaum Tageslicht, haben wenig Bewegungsfreiheit, stehen und liegen in ihren Auscheidungen.


Ist die Kuh ambitioniert, darf sie sich auch länger melken lassen als 3-4 Jahre. Wenn sie eher Dienst nach Vorschrift Milch produziert oder auf so eine innerlich gekündigte Art, dann ist sie - klaro - vorher fällig.


Eigentlich könnten sie die Weltherrschaft übernehmen, wenn sie nur etwas mehr Temperament hätten oder einen ausgeprägteren Fluchtinstinkt, wie Pferde beispielsweise. Die wissen zwar in der Regel auch nicht, wieviel Kraft sie haben, aber ihre Feinnervigkeit sorgt für jede Menge Schreckmomente, denen sie hysterisch und mit viel Tam Tam aus dem Wege zu galoppieren suchen. 



  
Kühe könnten locker Zäune niedertrampeln, aber das sagt ihnen niemand. Und selbst wenn sie draußen sein dürfen, genügen nachlässigste Sicherheitsvorkehrungen, um eine Flucht von vornherein zu vereiteln. Was eventuell daran liegt, dass sie durch lebenslanges auf der Stelle stehen weder Kondition noch eine Vision von saftigen Wiesen haben, für die es sich lohnen würde, durchzubrennen. 

Supermoderne Ferrari-Kuh (knochige Hüfte, große Euter)

Meine Herrschaften, an mitunter unwirtlichen Orten wird "Bio-Milch" produziert. Beziehunsgweise wird die uns so verkauft. 

Aber weshalb darf die so etikettiert werden? Ganz einfach: weil die Tiere Bio-Futter bekommen. Hochleistungsfutter. Und fertig ist die Bio-Milch, die wir dann guten Gewissens kaufen. Für letzteres besteht keine Veranlassung. Wollt' ich nur mal gesagt haben.

Edit 3.11.:
  1. Film: "Das System Milch", 2017, 90 Min., auf Netflix und Amazon Prime 
  2. Höfe, auf denen Kälber nach der Geburt nicht von ihren Müttern getrennt werden, finden sich hier